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Wetterleuchten

Wetterleuchten

Titel: Wetterleuchten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Dank der Robbenbeobachter wurde jede kleinste Bewegung Neras fotografiert, dokumentiert, mittels Telefonkette weitergegeben und anderweitig für die Nachwelt festgehalten. Die Gruppe hatte sogar eine Website, welche das Auftauchen und Verschwinden des Tieres bis ins Detail verfolgte. Zuletzt war es an jenem Nachmittag in der Nähe des Point-Partridge-Leuchtturms gesichtet worden.
    »Das ist nicht weit von Coupeville«, sagte Jenn und fügte noch hinzu: »Auf halber Höhe der Insel«, weil jemand, der aus Florida kam, mit Coupeville sicher nicht viel anfangen konnte. »Sie bewegt sich Richtung Süden. So wie Ivar während der Versammlung gesagt hat.«
    »Perfekt«, sagte Annie. »Dann machst du deinen Tauchschein bei Chad Pederson, und wenn sie hier ankommt, rücken wir ihr auf den Pelz.«
    Jenn riss die Augen auf. »Ich weiß nicht, ob das ...«
    »War doch nur ein Witz!«, sagte Annie und drückte ihren Arm. »Ich würde der Robbe nie im Leben was zuleide tun.«
    »Aber was hast du eigentlich mit ihr vor?«, fragte Jenn ernsthaft. »Weil ...« Sie schüttelte den Kopf. Irgendetwas kam ihr an dem Plan komisch vor. Sie sagte: »Ich weiß nicht, Annie.«
    Annie sprang auf und lief zu einem der vielen Kartons, die sie im ganzen Raum übereinander gestapelt hatte. Dem entnahm sie ein Gerät, das aussah wie ein kleines Schablonenmesser, und sagte: »Ich werde einen Abstrich von ihr nehmen, mehr nicht, Jenn. Auf diesem Wege bekomme ich ihre DNA. Dabei wird sie nicht verletzt.«
    »Und wie willst du nahe genug an sie herankommen?«
    »Mithilfe der Köder deines Vaters«, sagte Annie. »Ich locke sie mit dem Köder an, den ich deinem Vater abkaufe, und dann fangen wir sie ein. Nur für eine halbe Stunde oder so. Wahrscheinlich sogar kürzer. Ich locke sie an und warte, bis sie zutraulich wird, und wenn sie dann nahe genug herankommt, haben wir es geschafft. Sie wird es nicht mal spüren, Jenn. Und falls doch, wird es nicht anders sein, als hätte sie sich an einem Felsen das Fell gerieben. Sie ist schließlich eine Robbe und schwimmt die ganze Zeit um Felsen herum. Machst du mit? Ach, komm. Ich möchte dich gerne dabeihaben.«
    Das Licht hinter ihr ließ Annies Haar glänzen. Das Licht, das sie von vorne beleuchtete, ließ ihre Haut erstrahlen. Mit ihrem Lächeln schien sie eindeutig zu sagen: »Wir sind doch beste Freundinnen, oder?« Jenn zögerte noch, aber sie redete sich ein, dass das wegen des Tauchens sei und nicht wegen Annie. Okay, sagte sie. Sie würde mitmachen.

Kapitel 15
    I m nächsten Tag hatte Jenn Zeit eingeplant, um ihre Sprints zu machen, aber wie es aussah, hatte Annie andere Pläne für sie beide. Sie sagte, es wäre an der Zeit, die Tauchaktion anzugehen. Also fuhren sie zu Drake’s Landing.
    Es lag am Ende der Wharf Street in Langley, gegenüber der halbverfallenen alten Mole, die längst nicht mehr in Gebrauch und gefährlich war. Dort gab es einen überdachten Jachthafen, wo Boote zwischen Stegen lagen, die mit Seepocken verkrustet waren. Vor dem Eingang quietschte ein Schild im eisigen Wind, das an einem frisch gestrichenen Pfosten befestigt war. Darauf stand DRAKE’S LANDING SCHIFFSBEDARF, und vor dem neuen Hauptschaufenster prangte ein Transparent mit der Aufschrift GROSSE ERÖFFNUNG, das nach einer Seite schräg herunterhing.
    Im Laden war es dunkel. Jenn kommentierte diese Tatsache und war insgeheim ganz froh darüber. Die Vorstellung, mitten im Winter tauchen zu lernen, hatte ihr von Anfang an nicht behagt. Außerdem musste sie endlich mit dem Fußballtraining anfangen, wenn sie auch nur die geringste Chance bei den Testspielen für die Aufnahme in die Mädchenmannschaft der Insel haben wollte. Deshalb hatte sie nichts dagegen, dass das Geschäft geschlossen war; Hauptsache, sie würden vor Einbruch der Dunkelheit wieder nach Hause kommen.
    »Verdammt«, murmelte Annie und starrte auf das offenbar unbemannte Gebäude. »Er sagte, er würde hier sein.«
    »Wer?«
    »Chad. Der Betreiber. Ich habe ihm gesagt, dass ich dich heute Nachmittag mitbringen würde, und er sagte ...«
    Da klopfte jemand an das Fenster der Fahrerseite, und Annie und Jenn wandten sich um. Sie atmeten beide tief ein. Wenn das Chad war, dachte Jenn, na dann Halleluja! Er sah aus wie eine Statue. Sein Kopf schien wie gemeißelt, vom Kinn über die Lippen bis zur Nase und Stirn. Seine Augen waren von einem freundlichen Braun, und seine Haut war vom Wind leicht gerötet.
    »Annie?«, rief er durchs geschlossene Fenster. Und

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