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Wetterleuchten

Wetterleuchten

Titel: Wetterleuchten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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zur Ladentür. Als Jenn ihm ebenfalls die Hand hinhielt, legte er ihr stattdessen den Arm um die Schulter und sagte: »Mach’s gut,Tauchkumpel. Ehe du dich versiehst, bist du Profitaucher. Bis bald.« Dann wuschelte er ihr durchs Haar, worauf sie ihm am liebsten eine gescheuert hätte.
    Als sie draußen waren, sagte Jenn: »Ich hasse es, wenn mich jemand wie eine Fünfjährige behandelt.«
    »Kann ich verstehen«, antworte Annie. »Gib ihm ein bisschen Zeit.«
    »Wofür?«
    Annie sah sie an. »Dreimal darfst du raten. Ich bin zu alt für ihn, also hast du freie Bahn. Du wirst mit ihm zusammen im Becken sein.« Annie verschränkte ihre Finger, legte die Hände unters Kinn und klimperte mit den Wimpern. »Ich hatte ja solche Angst, aber jetzt ist sie komplett verflogen. Ach, Chad, du bist so ein guter Lehrer.«
    Jenn lachte laut auf. »Na klar«, sagte sie.
    »Glaubst du, darauf fährt er nicht ab?«, fragte Annie. »Wart’s nur ab. Ich bring dir bei, wie Männer ticken.«
    Jenn sagte: »Wo wir gerade von Männern sprechen ...«, und zeigte in Richtung Kai, den Ivar Thorndyke entlanggelaufen kam. Er trug einen Eimer, den Jenn erkannte, weil sie ihn schon mehrfach für ihren Vater mit Ködern gefüllt hatte. Während er zu seinem Lieferwagen ging, sah er sie. Er stellte den Eimer auf der Ladefläche ab und kam zu ihnen.
    Zu Annie sagte er: »Mieten Sie ein Boot, um sich in der Passage umzusehen?«
    »Jenn wird meine Unterwasser-Assistentin«, verriet Annie ihm. »Wir haben sie für Tauchstunden angemeldet.«
    Ivar sah sie beide prüfend an, und Jenn konnte förmlich sehen, wie sein Misstrauen erwachte. »Wozu wollt ihr denn tauchen?«, fragte er scharf.
    Annie antwortete nicht sofort, so als wollte sie ihm Gelegenheit geben, seinen Tonfall noch einmal zu überdenken. Nach einer Weile entgegnete sie ruhig: »Sie klingen besorgt, Mr Thorndyke. Wollen Sie mir sagen, warum?«
    Jenn warf ihr einen Blick zu. Ivar war ein guter Kunde ihres Vaters und kaufte oft Köder bei ihm, und sie wollte ihn nicht verärgern, deshalb sagte sie: »Es geht um das ausgelaufene Öl in Possession Point, Ivar. Annie schreibt ihre Doktorarbeit darüber.« Das schien ihr die beste Möglichkeit, die Unterhaltung zu beenden und vor allem zu verhindern, dass sie auf Nera zu sprechen kamen.
    Sie hörte, wie Annie laut einatmete, und als Jenn sie ansah, war ihr Gesicht wie versteinert. Ivar sah beinahe noch misstrauischer aus als vorher, und Jenn fragte sich, ob sie gerade einen großen Fehler begangen hatte.
    Schließlich sagte Ivar: »Warum untersuchen Sie Öl, das vor siebzehn oder sogar achtzehn Jahren ausgelaufen ist?«
    »Sie untersucht die Auswirkungen«, antwortete Jenn an Annies Stelle.
    »Es war Bilgenöl«, fügte diese hinzu. »Sie haben selbst ein Boot und wissen, was das heißt.«
    »Maschinenöl vom Schiff«, sagte Ivar. »Na und?«
    »Na und?«, fragte Annie und sah ihn überrascht an, als könnte sie nicht fassen, dass Ivar nichts dabei fand. »Wenn Maschinenöl ausläuft, sinkt es entweder auf den Grund oder bildet Teerklumpen, die ans Ufer gespült werden. Wenn es auf dem Grund bleibt, verbindet es sich mit dem Boden, dem Sand und den Steinen.«
    »Sie glauben also, das Öl ist immer noch da draußen? Und deshalb sind Sie hier?«
    Sein Tonfall verriet Jenn, dass er versuchte, Annie hereinzulegen, und sie bereute, dass sie das Öl überhaupt erwähnt hatte. Ivar war nicht auf den Kopf gefallen und würde sich seinen eigenen Reim darauf machen, dass Annie Taylor in der Stadt war, eine Doktorarbeit schrieb und sich beim Treffen der Robbenbeobachter für Nera interessiert hatte.
    Annie sagte freundlich: »Ich glaube, dass das Öl Mutationen bei Tieren und Pflanzen hervorgerufen hat. Ich habe die Theorie ...«
    »Einen Augenblick.« Ivar hatte offenbar nicht die Absicht, das Wort »Mutationen« kommentarlos an sich vorüberziehen zu lassen. »Es geht um die Robbe. Schiffsöl, das in den Meeresboden einsickert und Tiermutationen ... Sie sprechen von unserer Robbe.«
    Annie ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. »Es ist die Robbe, Mr Thorndyke«, sagte sie. »Sie gehört weder uns noch Ihnen noch irgendjemand sonst. Es ist ein wildes Tier und kein Besitz.«
    »Und deshalb soll man es in Ruhe lassen.«
    »Ich habe auch nicht vor, seine Ruhe zu stören«, erwiderte Annie barsch.
    »Ach ja? Ich werde Sie jedenfalls im Auge behalten.«
    Damit stapfte Ivar Thorndyke zu seinem Wagen zurück. Jenn sah ihm nach und spürte dann, dass Annie neben

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