Wetterleuchten
Sharla ihr erzählt, dass sie Ivar vor ein paar Jahren den Arm gebrochen hatte. Deshalb wollte er auch, dass sich die Leute von ihr fernhielten. Und als Ivar eine Woche, nachdem Becca angefangen hatte, für ihn zu arbeiten, in den Hühnerstall kam und von Flüstern begleitet war, wie: wird ihnen was tun ... spielen ein gefährliches Spiel... haben doch nichts mit ihr zu tun und warum auch … schloss Becca, dass es um Nera, die Robbe ging.
Zu ihr sagte er: »Ich habe Arbeit für dich. Und zwar richtige Arbeit, was anderes, als nur hier herumzuwühlen und meine Unordnung zu beseitigen.«
»Arbeit« im Sinne von langfristiger Beschäftigung plus Gehalt war Musik in Beccas Ohren. Sie stellte die rostige Mistgabel hin und hörte sich aufmerksam an, wofür Ivar sie auserkoren hatte.
Es ging um Tauchen, und Ivar erklärte es ihr schnell und hektisch. Eine Wissenschaftlerin, die vor Kurzem auf die Insel gekommen war, ließ einem Mädchen Tauchstunden geben, damit sie mit ihm unter Wasser Jagd auf Nera machen konnte. Das hatten sie zwar nicht zugegeben, aber Ivar war sicher, dass sie das vorhatten. Deshalb wollte er, dass Becca auch tauchen lernte. »Du sollst meine Augen und Ohren sein, Becks«, sagte er zu ihr. »Ich kann nicht mehr tauchen, und ohne meine Brille sehe ich sowieso nichts. Aber du kannst es.«
»Ich kann aber nicht tauchen.« Sie merkte, dass es ihm sehr ernst war; sie hörte akzeptiere kein Nein und wenn sie tauchen, kann sie sie beobachten. Sie wollte ihm ja helfen, denn sie mochte ihn. Aber tauchen? Das konnte sie nicht. Das sagte sie ihm auch, aber er ließ ihre Einwände nicht gelten.
»Es gibt da einen jungen Tauchlehrer, der es dem anderen Mädchen, das mit der Wissenschaftlerin tauchen soll, beibringt. Der kann dir auch Stunden geben. Ich bezahle dafür, keine Sorge. Es ist sehr wichtig, Becks. Es geht um Leben und Tod.«
»Woher wissen Sie denn, dass sie hinter Nera her sind?«
»Das haben sie mehr oder weniger zugegeben, unten am Jachthafen von Langley. Und ich sage dir, das können wir nicht zulassen. Becks, das Gesetz schreibt vor, dass Menschen dreihundert Meter Abstand zu Meeressäugetieren halten müssen, und dass es das Gesetz gibt, hat seinen Grund. Es geht um die Sicherheit der Menschen und der Tiere. Aber diese Frau will mit dem Mädchen in Neras Nähe, und glaub mir, wenn ich dir sage, dass sie es bitter bereuen werden.«
»Sharla hat mir erzählt, dass Nera Ihnen den Arm gebrochen hat«, sagte Becca, mehr zu sich selbst als zu Ivar.
Ivars Gesicht wurde krebsrot, als sie Sharla erwähnte. »Ja, das stimmt«, bestätigte er.
»Warum will die Wissenschaftlerin in ihre Nähe?«
»Weiß Gott. Und wenn ich frage, kriege ich nur ausweichende Antworten wie: >Niemand will der Robbe etwas zuleide tun, Mr Thorndyke<, und >Robben greifen keine Menschen an<. Sie ist ja auch keine Robbe. Wir sprechen von Nera, und sie war von Anfang an anders. Sie hat mir den Arm gebrochen, wie du ganz richtig bemerkt hast, und Eddie sagt, sie hätte sein Boot untergehen lassen. Die Leute halten das zwar für Unsinn, aber ich gehe kein Risiko ein. Auf keinen Fall. Also hilfst du mir, Becks?« Es wäre Teil ihrer Arbeit für ihn, fügte er hinzu. Er hätte sogar schon mit dem Tauchlehrer gesprochen. Das andere Mädchen hätte gerade erst mit dem Unterricht begonnen, und Becca könnte sich doch einfach dazugesellen. Würde sie es bitte tun? Sie könnte dadurch möglicherweise Leben retten.
»Na gut«, sagte Becca und wunderte sich über Ivars Reaktion.
Er umarmte sie stürmisch und küsste sie auf den Kopf. »Braves Mädchen«, sagte er gerührt.
Wenigstens würde sie jetzt wieder mehr zu tun haben und müsste nicht so viel Zeit im Baumhaus verbringen, dachte Becca mit Bezug auf das Tauchen. Es war ja nicht so, als könnte sie sich vor lauter Aktivitäten kaum retten. Neben ihrer Arbeit für Ivar auf Heart’s Desire und dem Versuch, in Langley nicht aufzufallen für den Fall, dass Jeff Corrie wieder auftauchte, ging sie zur Schule, machte ihre Hausaufgaben in der Stadtbibliothek, versuchte, aus dem Geschichtsreferat etwas zu basteln, das Mr Keith annehmbar finden würde – obwohl Tod Schuman sich nicht davon abbringen ließ, aus dem Internet abzuschreiben -, kehrte zu ihrem Baumhaus zurück, um dort zu essen und zu schlafen und am nächsten Tag mit der gleichen Liste von Tätigkeiten von vorne zu beginnen. Die einzige Ablenkung von diesem gnadenlos eintönigen Trott stellte Derrics und Courtney Bakers
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