Wetterleuchten
Vortragspulte, und sie stellte sich vor einen der beiden. Vor den anderen Notenständer stellte sich niemand. Vor allem nicht Zweitunterhosen-Schuman, dessen lebenslange Schmach für alle sichtbar gewesen wäre, wenn er seinen Stuhl verlassen und sich vor seine Schulkameraden gestellt hätte.
Selbst für Jenn, die Becca King auf den Tod nicht ausstehen konnte, war es ziemlich qualvoll. Sie tat ihr beinahe leid, aber das war schnell vorbei, weil Mr Keith ihren und Squats Namen als Nächstes aus dem Beutel zog. Sie trugen ihr Referat flüssig und mühelos vor, wie es sich die ganze Klasse bereits im Vorhinein gedacht hatte, und präsentierten Grafiken und eine PowerPoint-Präsentation, die Mr Keith praktisch zu Tränen rührte. Der Kontrast zwischen Referat Nummer eins und Referat Nummer zwei ging somit für alle Zeiten in die Annalen von Mr Keiths Geschichtsklasse ein, und das Einzige, was Fettarschs Verzweiflung noch die Krone aufgesetzt hätte, dachte Jenn bei sich, wäre gewesen, wenn Derric Mathieson und EmilyJoy Hall als Nächstes aufgerufen worden wären. Aber so war es nicht. Noch drei weitere Paare trugen ihre Referate vor, und wenn auch keiner von ihnen an Squats und Jenns Glanzleistung heranreichte, so konnte Beccas jämmerlicher Versuch, ihr und Tod Schumans Referat zu retten, im Vergleich zu den anderen Präsentationen allenfalls Mitleid erregen.
Als die Glocke läutete, verließen alle in Sekundenschnelle den Raum. Jenn wollte gerade dasselbe tun, als sie sah, wie sich Fettarsch Tod Schuman näherte. Sie fingerte nervös an ihrem Kopfhörer herum, und es war ziemlich offensichtlich, dass sie etwas sagen wollte. Das wollte Jenn auf keinen Fall verpassen. Sie ließ aus Versehen absichtlich ihren Ordner fallen, der sich hilfreicherweise öffnete, sodass sich die Blätter im ganzen Zimmer verteilten. Mit dem Einsammeln ließ sie sich Zeit.
Die Fettkuh sagte zu Zweitunterhose: »Es tut mir leid. Ich wusste das nicht. Ich hab’s vermasselt. Ich wünschte ...« Sie seufzte und schien in sich zusammenzusacken. Ja, dachte Jenn, du hättest dir bestimmt gewünscht, dass er dir von seinem Problem erzählt hätte. Als ob das je passieren würde. Wie wäre das abgelaufen? »Ich mach mir in die Hose, wenn ich Angst habe, und meine Mom lässt mich keine Windeln tragen.« Aber klar doch.
Er hob den Kopf. »Du hast alles versaut«, blaffte er sie an. »Du bist die totale Niete. Wenn du nicht alle meine Einfälle für das Referat verrissen hättest ... Wenn du nicht so getan hättest, als wärst du der schlauste Mensch der Welt... Wenn du mir nur einmal zugehört hättest, anstatt mir Vorträge zu halten und mir zu sagen, dass alle meine Ideen scheiße sind ...«
»Das ist unfair«, flüsterte Klugscheißer. »So war es nicht.«
»Von wegen«, gab er zurück.
Kapitel 27
D erric sagte sich, dass alles, was man im Leben tut, irgendwann auf einen zurückfällt. Becca hatte ihm ungefragt die Briefe an seine Schwester in die Hand gedrückt, und deshalb war es nur fair, dass sie dafür bestraft wurde. Aber trotzdem hatte er ein schlechtes Gewissen, dass sie so eine Pleite in Geschichte erlebt hatte, weil er wie alle anderen gewusst hatte, warum sich Tod Schuman nie im Leben vor die Klasse stellen und ein Referat halten würde.
Als er Becca nach der Schule bei ihrem Spind sah, aus dem sie niedergeschlagen Bücher räumte und in ihren Rucksack steckte, ging Derric zu ihr. Da er seit Wochen nicht mehr als ein Dutzend Worte mit ihr gewechselt hatte, überraschte es ihn nicht, dass sie leicht aufschreckte, als er ihren Namen sagte. Sie nahm den Kopfhörer aus dem Ohr, den sie trug, um Nebengeräusche auszublenden und besser hören zu können. Daraus schloss er, dass sie keine große Lust hatte, mit ihm zu reden, aber das war in Ordnung; es würde sowieso kein sehr langes Gespräch werden.
Er sagte: »Hey. Tut mir leid wegen Schuman.«
»Ach, na ja. Ich hätte es mir denken können«, erwiderte sie.
Er fragte sich, was sie damit sagen wollte; schließlich hatte sie nicht erwarten können, dass Tod Schuman ihr seine Blasenprobleme anvertraut. Deshalb sagte er: »Wie hättest du das wissen sollen? Aber der Rest der Klasse ...? Wir kennen ihn seit der Grundschule und wussten, was passieren würde.«
»Das ist mir klar«, antwortete sie. »Die Sache ist nur, dass Leute einem unbewusst Hinweise geben, findest du nicht? Wenn man darauf achtet, hat man die Wahrheit immer direkt vor sich. Wie Leute auf bestimmte Dinge reagieren,
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