Wettlauf mit dem Tod
stattdessen ihre Hand. »Du kannst mir alles erzählen.«
Nein, das konnte sie auf keinen Fall. Sie beäugte ihn vorsichtig. »Was sollte ich dir erzählen?«
»Ob dir jemand wehgetan hat. Ob du einfach noch unerfahren bist. Ob du zurückhaltend bist, Angst hast oder was auch immer dein Problem ist.«
Was war das denn für eine Aufzählung? Was glaubte er denn? Dass sie im Kloster gelebt hatte? Hielt er sie für ein Missbrauchsopfer? Sie konnte ihm auf keinen Fall auch nur andeutungsweise die Wahrheit anvertrauen. Selbst nach der langen Zeit, die vergangen war, und obwohl Morton Andrews’
Checkers
-Klub in einem anderen Bezirk lag – weit genug weg, dass Andrews ihnen nicht begegnen würde, und doch nahe genug, dass Rowdy ihn im Auge behalten konnte –, war die Wahrheit zu gefährlich.
Aber
irgendetwas
musste sie sagen. Sie betrachtete seine große Hand. »Ich bin schüchtern. Und ich bin zurückhaltend.«
Außerdem bin ich eine vortreffliche Lügnerin.
»Aber du willst mich.«
In der Tat. Ob es ihr gefiel oder nicht, ob es klug war oder eine Dummheit.
»Sue? Egal, was los ist, es ist in Ordnung. Ich werde dich nicht bedrängen.«
Was für ein Quatsch. Genau das tat er doch die ganze Zeit. Sie sah ihm in die Augen. »Ja.«
Er hielt kurz inne. »Ja … Was?«
»Ich will dich.« Das sollte er erst mal verdauen. »Ich fühle mich durch die Aufmerksamkeit, die du mir schenkst, geschmeichelt«, fügte sie hinzu und bemühte sich, unsicher zu klingen. »Aber es ist mir unangenehm, wenn mich jemand sieht.«
Er betrachtete sie mit geschärfter Aufmerksamkeit. »Du meinst, wenn dich jemand nackt sieht?«
»Genau.«
Eine hitzige Ruhe überkam ihn. »An deinem Körper gibt es wahrscheinlich nichts, was ich nicht schon einmal gesehen hätte, oder?«
Wieder verschluckte sie sich beinahe. Er ahnte ja nicht, welche Überraschungen sie verbarg. »Ich bin nicht entstellt, wenn du das andeuten wolltest.«
»Nein, das wollte ich nicht. Ich wollte dir nur meinen Standpunkt klarmachen. Und wenn Zurückhaltung dein einziges Problem ist …«
»Nein, so ist es nicht.« Es gab eine Million gute Gründe, weshalb sie sich nicht mit ihm einlassen sollte, weder auf körperliche noch auf andere Art und Weise.
Und trotzdem saß sie hier. Aß Pizza. Unterhielt sich.
Nachdem sie ihm gestattet hatte, ihr mit einem Kuss die Sinne zu verwirren und sie auf dem Sofa zu begrapschen. Sie legte den Kopf in die Hände und unterdrückte ein Stöhnen.
Er rutschte mit dem Stuhl vom Tisch weg, hatte sein Essen völlig vergessen und konzentrierte sich ganz auf sie. »Was ist da sonst noch?«
Trotz seines Versprechens, sie nicht zu bedrängen, hatte Pepper das Gefühl, als würde er sich gleich auf sie stürzen. Sie stand auf und stellte sich hinter den Stuhl. Seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen fasste er es als defensive Geste auf. Doch ihr ging es eher um Kontrolle – die ihr in seiner Gegenwart völlig abhandenkam.
Er erhob sich ebenfalls langsam.
Ehe er auf sie zukommen und sie sich wieder auf ihn stürzen konnte, sagte sie schnell: »Ich kenne dich doch kaum.«
»Okay.« Er streckte die Arme aus. »Ich bin ein offenes Buch. Was willst du wissen?«
Warum bist du so verrückt nach mir?
Nein, so unverblümtkonnte sie nicht fragen. »Na, so ziemlich alles.«
»Würdest du dich, während ich dir eine Zusammenfassung gebe, wieder hinsetzen und zu Ende essen?«
Warum nicht? Sie hatte noch Hunger, und die Pizza war noch heiß. »Einverstanden.« Sie setzte sich wieder, ohne ihn dabei anzusehen, und biss in ihre Pizza.
»Möchtest du die lange oder die kurze Version hören?«
Ich will alles bis ins kleinste Detail wissen.
Sie schüttelte den Kopf. »Ich möchte nicht neugierig erscheinen …«
»Dann also die lange Version.« Lächelnd wartete er ab, bis sie weiteraß, und begann zu erzählen. »Ich bin unverheiratet, war aber einmal verlobt. Ich habe einen Abschluss in Wirtschaftswissenschaften, aus dem ich jedoch niemals etwas gemacht habe, weil ich die Freiheit, die die Arbeit auf der Baustelle mit sich bringt, bevorzuge. Ich bin viel herumgekommen, doch am besten gefällt es mir im Mittleren Westen. Ich bin zweiunddreißig und interessiere mich für alle möglichen verschiedenen Sportarten. Ich selbst spiele Softball und Football. Ich hasse es einzukaufen, selbst Lebensmittel, aber wenn es sein muss, bin ich ein ganz passabler Koch. Ich liebe Tiere, halte aber keine Haustiere, weil, na ja, es wäre unfair, ein Tier in
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