When the Music's Over
kannte seine Wirkung genau. Ehe er zu den Tunnel-Soldaten gekommen war, hatte er seinen Körper an Pädophile und Schwule verkauft. Manchmal fiel ihm ein, dass er irgendwo in der Stadt noch zwei Schwestern hatte. Seine Eltern waren schon lange tot oder hatten das Weite gesucht, für Käppi gab es da keinen großen Unterschied.
Als Ali, Brad und Faizul zu dem vereinbarten Treffpunkt gekommen waren, hatte Käppi sie erst mal eine halbe Stunde beobachtet. Es amüsierte ihn, wie sie durch die Absperrung gekrochen waren und nun auf den Trümmern des Brandenburger Tors herumkletterten und verstohlen kleine Steinbrocken einsteckten. Touristen, sie waren doch alle gleich. Sunshine hatte gesagt, die drei wären okay – keine linken Regierungstypen oder so, sondern echte Medientypen. Wenn Sunshine etwas sagte, tat man besser daran, es zu glauben. Sie hatte immer Recht und sie wusste alles. Die Vierfinger hatten irgendetwas mit ihrem Kopf angestellt, was sie irgendwie »anders« gemacht hatte. Sie sprach nie darüber, aber das war schon okay, fand Käppi. Er ahnte, dass er es eh nicht kapiert hätte.
Als Ali sich umdrehte, stand Käppi direkt vor ihm, so als wäre er genau in diesem Augenblick aus dem Boden gewachsen, die strahlenden blauen Augen fest auf ihn gerichtet.
»Sie sagt, ihr seid okay.«
»Wer –?«
Ali gab Brad einen Stoß, und er verstummte abrupt. Jetzt nur keinen Fehler machen. Dies war ihre Chance zu beweisen, dass sie auch ohne Erg Alonquin ein hochklassiges VID-Team waren, das dem Sender heiße Storys liefern konnte und hochprozentige Hit-Zahlen einfuhr. »Untergang einer Stadt« hatte gute Quoten gebracht. Faizul fand, ihre Hamburg-Story war eigentlich okay gewesen – bis auf MacMillans unerträglich manieriertes Gesülze. Ali hatte sich schon öfter gefragt, wen sie aus der Chefetage bumste. Als er einmal Brad darauf ansprach, meinte dieser nur lakonisch: »Alle, was dachtest du denn?«
Käppi forderte die drei auf mitzukommen. Er hatte genaue Instruktionen erhalten, wie er vorgehen sollte. »Wenn dir etwas verdächtig vorkommt, brich sofort ab«, hatte Sunshine ihm eingehämmert. »Was meinst du mit verdächtig«, hatte er dumm gefragt. »Na, du weißt schon, dieses Kribbeln, das dir verrät, dass der Freier ’n Bulle ist.« Das hatte er verstanden. »Halt einfach die Augen offen, okay?«
Er sollte Dreisatz und Bingo am zweiten Einstieg treffen. Dort würden den VID-Leuten die Augen verbunden werden – das war die übliche Prozedur.
Die Augenbinden gefielen ihnen überhaupt nicht. Und sie dachten, sie könnten sie ihnen ausreden. Dreisatz machte jedoch kurzen Prozess. Sie hielt der Frau eine Knarre an den Kopf und fragte: »Wer will sich hier noch beschweren?«
Bingo und Käppi unterdrückten schnell ein Grinsen, als sie sahen, wie die drei richtig blass wurden. Hatten die etwa gedacht, die Tunnel-Soldaten wären eine Ansammlung von Erstklässlern? Typisch Dreisatz. Die wusste, wie man am schnellsten zum Ziel kam. Glatter Dreisatz-Sieg.
Sunshine hatte das Hauptquartier der Tunnel-Soldaten vorübergehend verlegt. Sie war zwar durchaus bereit, den Leuten zu trauen, doch sie wusste, wie weit der Feind gehen würde, sie hatte es erlebt.
Wenn Käppi im Zeitplan blieb, musste die Gruppe in fünfzehn Minuten am letzten Checkpunkt sein. Dort würden Wiesel und Danuta warten.
»He, was soll das?«
Brad sprang fast einen Meter in die Höhe, als zwei Hände fachgerecht seinen Körper abtasteten. Vor ungefähr fünf Minuten waren sie plötzlich stehen geblieben – dem Geräusch ihrer Schritte und der abgestandenen Luft nach zu urteilen, befanden sie sich immer noch unter Erde –, er hörte seine Begleiter, oder sollte er sagen »Bewacher«, leise miteinander reden. Worauf warteten sie? Lautlos verfluchte er Ali. Der und seine tollen Kontakte zur Widerstandsbewegung. Was, wenn sie nur einem blöden Kinderstreich aufgesessen waren?
»Ganz ruhig«, murmelte eine unbekannte Stimme, »wollen nur auf Nummer sicher gehen, dass ihr uns kein Ungeziefer einschleppt.«
»Was?«
Die Stimme gehörte Ali. Also wurde er auch abgetastet. Brad fühlte sich schon etwas besser. Geteiltes Leid und so weiter.
»Hast du die Kamera schon gecheckt?«
»He, Hände weg von dem Equipment!«
Das war Faizul.
»Ruhe da. Wir wissen, was wir tun.« Das klang nach der Rothaarigen mit der Waffe.
»Danuta, ist die Frau sauber?«
»Alles okay.«
»Gut. Gehen wir.«
Die unbekannte Stimme schien in der Rangordnung am
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