When the Music's Over
nickte.
»Gab’s mal was von deinem Zeug im Kino? Ich bin kein Buch-Typ, weißt du.«
» Sternenjäger von Proxima basiert auf einer meiner Shortstories.«
»He, das kenn ich. Da waren ’n paar klasse Songs von den Runners drin.«
»Du stehst auf die Runners?« Doc sah seine Chance, Punkte zu machen, als Wiesel heftig nickte. »Wusstest du, das Pierce auf Freezone lebt? Ich wohne zur Zeit auf seinem Hausboot.«
»Cool, Mann.« Jetzt war Wiesel beeindruckt. »Also ich find, als er noch dabei war, hatten die mehr Biss.« Das hatte zwar der Rabe gesagt, aber Wiesel fand, dass es nicht schaden konnte, sich mit diesem seltsamen Ami-Vogel gut zu stellen. »He, was soll denn das sein?« Er starrte auf die Zahlenkolonnen, die über das Display seines Cyber liefen.
»Ich glaube, es sind Raumkoordinaten.«
»Wie kommst du auf die Idee?«
»Ich weiß, es könnte vermutlich genauso gut die Jahresbilanz eines NASA-Ausstatters sein. Aber Anna, meine Frau, war Astrophysikerin, da bleibt so manches hängen.«
»Doktor Anna Voss, Wissenschafts-Astronautin auf der Voyager«, sagte Kahia unvermittelt.
Doc und Wiesel starrten sie an.
Kahia grinste und zuckte mit den Schultern, dann beugte sie sich wieder über das Schachspiel und sagte zu Garfield: »Wenn du nicht Acht gibst, hab ich dich in spätestens vier Zügen klein.«
»Ich könnte eine Abgleichung mit den Koordinaten aller bekannten Kommunikations-Satelliten versuchen«, schlug Wiesel vor. »Damit könnten wir rauskriegen, mit was für Zahlen wir es hier zu tun haben.«
»Wie lange dauert das?«
»Bin gleich fertig.« Wiesel schluckte laut. »Boa, Treffer und versenkt. Oh, Mann, oh, Mann!«
»Da oben ist was – hatte ich Recht?«
»Stimmt auffallend, da oben ist was – etwas ziemlich Großes – und nicht nur eins. Wir hatten beide Recht.«
Wiesel lehnte sich ächzend zurück. Er sah auf einmal ziemlich blass aus, fand Doc und merkte, dass ihm auch flau wurde. Das alles wurde langsam eine Nummer zu groß für einen minderjährigen Hacker und einen in die Jahre gekommenen Science Fiction-Schreiber.
»Raumstationen?«
»Raumstationen«, nickte Wiesel.
Als ob Doc noch eine Bestätigung gebraucht hätte. Er überlegte. Bestand tatsächlich ein Zusammenhang zwischen den Stationen und Wiesels haarsträubender Theorie von den Avataren?
»Kannst du dich noch mal in dieses Serviceprogramm hacken?«
»Kein Problem«, meinte Wiesel großspurig.
»Sei bloß vorsichtig«, mahnte Doc. »Nicht dass hier plötzlich irgendwelche fiesen Aliens mit Strahlenwaffen vor der Tür stehen.«
»Kein Problem«, wiederholte Wiesel mit mehr Zuversicht, als er in Wirklichkeit empfand.
»Halt, warte!« Doc hatte auf einmal ein ganz ungutes Gefühl. »Lass uns erst mal drüber schlafen. Ich glaube, wir wissen noch gar nicht, auf was wir da eigentlich genau gestoßen sind.«
»Ganz meine Meinung.« Erleichtert klappte Wiesel den Cyber 3 zu.
»Und das war’s jetzt – genug Verschwörung gespielt?« Kahia sah vom einen zum andern. »Gut. Dann können wir ja nach Hause gehen.« Sie versetzte Garfield einen Knuff. »Für einen Jungen spielst du gar nicht mal so schlecht.«
Unruhige Gedanken
Faizul war den ganzen Weg zum Künstlerdorf gerannt. Ständig sah sie zurück, sie hatte eine Scheißangst, dass er ihr gefolgt sein könnte. Dabei gab es überhaupt keinen rationalen Grund für ihre Angst und noch weniger war anzunehmen, dass er nichts Besseres zu tun hatte, als ihr nachzulaufen. Sie sagte sich immer wieder, dass alles nur Einbildung sei, doch gegen diese irrationale Angst kam sie einfach nicht an.
Der schlimmste Moment war gewesen, als sich Sandrine zu Erg umdrehte, ihn mit runden, erstaunten Augen ansah und vorwurfsvoll sagte: »Aber hast du nicht gesagt, sie ist tot?«
Erg hatte nur mit den Schultern gezuckt und »Irren ist menschlich« gesagt, und alle, die drum herum standen, waren in brüllendes Gelächter ausgebrochen.
Sie war mit Brad und Ali im Hafenviertel unterwegs gewesen – schließlich waren sie auf Freezone, um zu arbeiten. Für heute stand eine kleine »Wie das Festival das Leben der Einheimischen verändert«-Reportage auf dem Plan und sie taten, was all die anderen VID-Teams auf der Insel auch taten: Sie nervten die Caféhausbesitzer, die Kunsthandwerker und deren Kunden mit ihren abgestandenen Fragen.
Brad fluchte schon seit Tagen, erst lautlos und dann für alle unüberhörbar. Er hasste diese oberflächlichen Routine-Jobs. Zum Glück ließ ihnen die
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