When the Music's Over
einem schattigen Torbogen stehen und hielt sich den schmerzenden Leib. Sie glaubte keinen Schritt weiter laufen zu können. Auch hatte sie in dem Gassengewirr des Hafenviertels schon längst die Orientierung verloren. Was, wenn sie plötzlich wieder am Ausgangspunkt ankommen würde? Nein, so durfte sie nicht denken. Sie holte tief Luft und rannte weiter und lief dem massigen Barbo direkt vor die Brust.
Sie stolperte und wäre lang hingeschlagen, hätte er sie nicht mühelos aufgefangen. Sie wollte sich panisch losreißen, doch er hielt sie fest.
»He, he, kennst du den alten Barbo nicht mehr?«
»Was? ’tschuldigung«, stammelte sie atemlos.
»Was ist denn passiert, Mädchen?«
»Frag bitte nicht. Ich glaub, ich hab mich verlaufen. Ziemlich albern, oder?« Sie lachte unsicher.
»Na, dann komm mal. Ich wollte auch gerade zurückgehen. Ist ’n ziemlich aufregender Ort für, na ja, ’n alten Mann wie mich. Kann man schon leicht den Überblick verlieren.«
Wenig später, in Barbos und Madame Esmeraldas Wagen, wo Faizul mit süßem Tee und pappigen Plätzchen gepäppelt wurde, redete sie sich ihre Sorgen vom Herzen.
»Er ist so – eigenartig, versteht ihr? Ich weiß nicht, wie ich es anders beschreiben soll.«
Madame Esmeralda nickte wissend. Ihr waren schon diverse eigenartige Männer begegnet, ihr verstorbener war auch so ein ganz spezieller Fall gewesen.
»Wie läuft es eigentlich mit dir und diesem gut aussehenden Burschen?«
Das war vielleicht nicht unbedingt der geschickteste Themenwechsel, aber zumindest brachte er Faizul vorübergehend auf andere Gedanken. Sie seufzte und verdrehte die Augen.
»Für ihn bin ich entweder das kleines Mädchen oder die nervige Producerin.«
»Schwieriger Fall«, befand Susi. Sie griff in ihre Rocktasche – wenn sie im »Dienst« war, trug sie phantasievolle, weite Gewänder – und holte ihre Tarot-Karten hervor. »Heb ab.«
»Ich hab ein ganz komisches Gefühl.« Faizul war mit ihren Gedanken immer noch bei der unerfreulichen Begegnung mit Erg Alonquin. »Ich erinner mich, wie er einmal sagte, dass er Sandrine hasst – und jetzt sind sie zusammen. Und dann diese – nein, ich mag gar nicht daran denken.«
»Liebe und Hass sind oft seltsame Bettgefährten.« Madame Esmeralda klang furchtbar weise und mindestens genauso platt. »Heb ab, Mädchen. Aha, der Prinz der Kelche. Ich glaube fast, mit dir und diesem Brad wird es doch noch was.«
Der Mann, der die Erde verkaufte
»Ich hätte sie vielleicht mal besuchen sollen«, meinte Takaheshi nachdenklich und sah etwas wehmütig in den Sonnenuntergang. Sonnenuntergänge hatten manchmal diese Wirkung auf ihn, sie ließen ihn sentimental werden.
»Wenn du wieder auf Freezone bist, kannst du es ja nachholen«, schlug Skadi vor.
»Ich weiß nicht mal, ob sie noch auf der Insel lebt, und überhaupt – manche Dinge kann man nicht nachholen. Wenn der Zeitpunkt vorbei ist, dann ist er vorbei.«
Skadi prustete los. »So einen Unsinn habe ich noch nie gehört.«
»Solche Dinge lernt man, wenn man älter ist.«
Skadi beschloss, das Thema erst mal auf sich beruhen zu lassen. »War sie gut?«, fragte sie stattdessen.
»Gut? Sie war gigantisch!«
Sie hatten es sich angewöhnt, die Abende grünen Tee trinkend auf dem Sonnendeck zu verbringen. Manchmal erzählte Takaheshi aus seinem Leben und manchmal Skadi aus ihrem. Sie waren jetzt seit rund zwei Wochen unterwegs und gute Freunde geworden. Takaheshi fragte sich zuweilen, wie das passieren konnte. Vielleicht weichte ihn das Alter langsam auf.
Wie viele Jahre war es her, dass er zuletzt an Rashala gedacht hatte? Bewusst an sie gedacht, berichtigte er sich, denn irgendwie war sie immer in seinen Gedanken gewesen. Nicht wie eine wehmütige oder schmerzliche Erinnerung, eher wie ein Echo, ein Klang, der nur an bestimmten Orten hörbar wurde, genau wie ihre berühmten Skulpturen.
Der Sommer, in dem sie die erste ihrer Klangskulpturen schuf, war Magie gewesen. Er erinnerte sich noch gut daran.
Er war nach Freezone gekommen, weil er nichts Besseres vorgehabt hatte. Er hatte sich gleichzeitig ausgepowert und satt gefühlt. Dazu kam ein Überdruss, wie ihn nur die ganz Reichen kennen. Extremsport, Selbsterfahrungstrip oder Drogen lautete gewöhnlich das Rezept für solche Befindlichkeiten. Takaheshi fand alles drei langweilig und überflüssig. Er hasste Sport, kannte sich selbst zur Genüge, und Drogen waren ihm, dem Kontrollfreak, ein Greuel. Irgendjemand hatte ihm dann von
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