When the Music's Over
der Tür. Er sah sehr müde aus, fand Skadi.
»Fehlen tut nichts«, sagte sie daher nur.
»Sie haben keinen Respekt mehr. Dies sind die ersten Anzeichen –« Er brach ab.
»Anzeichen wofür?«
»Die Invasion steht jetzt kurz bevor.«
»Die Invasion steht bevor?« Skadi war verwirrt. »Aber ich denke, die fand bereits vor vielen Jahren statt.«
»Das war nur der Anfang.« Takaheshi ging zum Bullauge hinüber und starrte aufs Meer. Er sprach zu niemand Bestimmtem. »Das war nur die Vorhut. Roswell und all die anderen Zwischenfälle, alles Kundschafter. Jetzt kommt bald die große Welle.«
»Aber – kann man denn gar nichts dagegen tun?« Unbewusst rang sie die Hände.
»Zu spät.« Er richtete sich auf. »Wir werden sofort nach Freezone zurückfahren. Ich habe mich um ein Festival zu kümmern.« Und mit einem kleinen Lachen: »Was für ein bizarrer Schwanengesang.«
»Ich komme nicht mit«, sagte Skadi und nahm ihren Rucksack auf. »Ich werde hier von Bord gehen.«
Sie bemerkte seinen erstaunten Blick und suchte nach einer Erklärung. Was sollte sie sagen? Sie konnte sich ihren Wunsch selbst nicht recht erklären. Eigentlich war es nur ein Impuls, der Ausdruck ihrer Wanderlust. Aber wer weiß, womöglich steckte doch mehr dahinter. Fühlte man sich so, wenn man seiner Bestimmung folgte?
»Du meinst, du musst gehen?«
Skadi nickte.
»Wir treffen uns wieder«, sagte er nur und drückte ihre Hand. »Auf Freezone.«
Es klang fast wie ein Schwur, oder wie ein Trinkspruch, fand Skadi. Daher sagte sie: »Auf Freezone.«
Tief unten, wo das Blau ganz schwarz ist
Teneriffa hatte ihn deprimiert – er war nur einen Tag geblieben, um seine Vorräte zu ergänzen. Wie überall in den einstigen Touristenhochburgen entlang der Küsten starrten ihn die Hotelruinen wie billige Mahnmale des Verfalls an. Pierce hatte genug von postapokalyptischen Szenarien. Er wollte weiter nach Norden, Madeira oder San Miguel – aber halt, die Azoren gab es ja nicht mehr –, doch bereits nach wenigen Seemeilen stellte er fest, dass ihm der Wasserhändler statt Frischwasser minderwertiges Brauchwasser in den Tank gefüllt hatte. Und so steuerte er Fuerteventura an. Früher wäre er vermutlich umgekehrt und hätte den Händler ordentlich verprügelt, heute schien es ihm die Mühe nicht wert.
Am späten Nachmittag lief er in den kleinen Hafen ein. Kein Mensch war zu sehen, nicht einmal die hiesigen Bakschischabgreifer – seltsam.
Aus alter Gewohnheit suchte er eine der zahlreichen Hafenkneipen auf, eine ehemalige Pizzeria, wie er der an die Wand geschriebenen Speisekarte entnehmen konnte. Er war der einzige Gast. Der Wirt, ein hektischer, mediterraner Typ, kam an seinen Tisch und rappte ihm die Tagesgerichte vor. Sein Wortschatz schien noch aus der Zeit des Massentourismus zu stammen, denn er beendete jeden Satz mit: »Und ein Softdrink gratis«.
Pierce bestellte und fragte: »Schlechte Saison oder wo sind alle abgeblieben?«
Der Wirt sah nervös über die Schulter und sagte dann mit gesenkter Stimme: »Ist besser, gestern zu gehen als morgen.«
»Verstehe«, meinte Pierce und verstand gar nichts.
Er trank – nicht den gratis Softdrink, sondern überraschend guten Wein – und sah aus dem Fenster. Der Himmel hatte inzwischen eine fahlgraue Tönung angenommen. Ein Sturm zog auf – ungewöhnlich für diese Jahreszeit. Aber andererseits spielte das Wetter schon seit vielen Jahrzehnten verrückt. Er fragte sich gerade, ob sein Boot auf offener See nicht besser aufgehoben wäre als an dem morschen Kai, da flog die Tür auf und ein Rucksack schob sich in die Kneipe. Dem Rucksack folgte eine junge Frau, die auf exotische Art attraktiv aussah. Vielleicht würde der Abend doch noch ganz erfreulich werden, dachte Pierce und stand auf, um sie an seinen Tisch zu bitten.
Irgendwie kam er Skadi vertraut vor, obwohl sie sich erst vor wenigen Stunden begegnet waren. Vielleicht trug auch die seltsame Umgebung zu diesem Gefühl bei – draußen der Sturm und hier drinnen sie beide immer noch die einzigen Gäste. Er sprach leise und sein Tonfall war eindringlich, fast besessen. Er erzählte von dem geheimnisvollen Ort, zu dem er immer hinabstieg. Es dauerte eine Weile, ehe sie dahinter kam, dass er vom Tauchen sprach.
»Der einzige Ort auf diesem verdammten Planeten, wo sie einen in Ruhe lassen.«
»Die Aliens?« Ihre Stimme klang begierig, hoffnungsvoll. Bis zu diesem Augenblick hatte Skadi nicht gewusst, wie dringend sie nach so einem Ort
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