Whiskey für alle
Hypotheken belastete, eben der Großvater, der nicht mal mehr einen Shilling hatte, um seine Frau unter die Erde zu bringen, die frühzeitig vor Kummer und Scham starb. Tom hatte die paar Pfund, die er als junger Bursche zusammengespart hatte, hergeben müssen, um einen billigen Sarg zu erstehen und eine Messe für seine Mutter lesen zu lassen. Es war ihm eine bittere Lehre gewesen. Sein Vater hatte ihn dazu getrieben, Geld auf die hohe Kante zu legen. Gleich nach dem Begräbnis seiner Mutter hatte er sich geschworen, mit niemandem über Geldangelegenheiten zu sprechen, auch seine Frau war davon nicht ausgenommen. O ja, sie wusste, dass er Geld hatte, und ahnte wahrscheinlich auch zu Recht, dass es ein hübsches Sümmchen war, aber sie brachte nie die Rede darauf. Sosehr sie es auch nach dem einen oder anderen hübschen Stück gelüstete, Sicherheit ging ihr über alles. Anfänglich hatte sie noch an seinem Geld teilhaben wollen. Erst waren die Gardinen nicht gut genug, dann die Möbel, dann die Tapete und schließlich auch das Haus. Stets hatte er ihr geduldig zugehört. Er hielt sie mit Versprechungen hin, aber mit den Jahren brachte er etwas Geld zusammen und prahlte damit, dass sich seine Genügsamkeit auszahlte. Das wirkte. Sie sah allmählich ein, dass er recht hatte.
»Stell dir mal vor, wo wir jetzt wären, wenn ich nachgegeben hätte«, hielt er ihr immer wieder vor.
Sie hatten noch einen Sohn, Willie, Subunternehmer in England. Der war richtig sparsam. Am Tag seiner Abreise hatte ihm Tom das nötige Fahrgeld und eine Zehn-Pfund-Note gegeben.
»Wenn du dein Köpfchen gebrauchst«, hatte ihn der Vater gewarnt, »reißt du den Schein nicht unnötig an. Leg ihn zur Seite, und bald wird ihm ein weiterer Gesellschaft leisten.«
Und wie viel hatte Willie heute? Er stand blendend da, denn er hatte auf den Vater gehört. Und was noch viel wichtiger war, nur Willie wusste, wie viel Willie hatte. Denn das war der stete Ärger, wenn man Geld besaß. Ganze Jahre mühte man sich ab, um es zu sparen, und die liebe Verwandtschaft dachte nur daran, wie man es so schnell wie möglich ausgeben könnte.
Nach der Auseinandersetzung mit dem Vater änderte sich John Cutlers Verhältnis zu seinen Eltern dramatisch. Früher hatte er immer abends nach der Heimkehr aus dem Pub über die Neuigkeiten berichtet, die in der Nachbarschaft die Runde machten, oder über interessante Unternehmungen und Vorhaben der Kneipengäste. Auch hatten die Eltern stets voller Spannung auf den abendlichen Bericht gewartet, vor allem der Vater, egal, worum es ging, obwohl er sich nie dazu äußerte. Da diese Art der Unterhaltung nichts kostete, genoss er sie besonders. Meist waren sie schon zu Bett gegangen, bevor der Sohn nach Hause kam, aber die Schlafzimmertür blieb angelehnt, damit sie ja nichts verpassten.
Jetzt aber war jede Kommunikation zwischen ihnen zum Erliegen gekommen. Tom und Minnie hatte sein Schweigen zunächst nicht sonderlich beunruhigt, denn auch sonst war er des öfteren beleidigt und verschwiegen gewesen, doch das hatte sich nach ein paar Tagen gegeben. Diesmal aber war es anders. Eine Woche nach der anderen verstrich, ganze Monate vergingen, bis Tom schließlich die Schlafzimmertür zumachte und zu erkennen gab, dass ihn die Sache nicht weiter rührte. Zu etwa der Zeit begann John sein Äußeres zu vernachlässigen. Auch kam er oft betrunken nach Hause. Manchmal war er morgens nicht in der Lage, aufzustehen und die Kühe zu melken. Dann hörte Minnie, wie er in seinem Zimmer Selbstgespräche führte, und das machte ihr Sorgen. Als sie mit Tom darüber sprach, führte er das auf dessen Trinkerei zurück.
»Da siehst du, wie klug es war, das, was ich habe, festzuhalten«, triumphierte er. »Überleg mal, wie es uns erginge, wenn wir jetzt auf einen Säufer angewiesen wären.«
Schlimm wurde es erst richtig, als John eine Lohnerhöhung verlangte.
»Wofür brauchst du die?«, fragte sein Vater unwirsch.
»Ich brauch sie, um mithalten zu können«, erwiderte John geduldig.
»Mithalten zu können, womit? Mit den Preisen für
Gesöff?«
»Nicht nur die Preise für Getränke sind gestiegen, du weißt das sehr gut. Ich brauche einen neuen Anzug und ein paar Hemden. Und meine besten Schuhe lassen sich auch nicht mehr reparieren.«
»Warte bis zum Jahresende«, hatte ihm der Alte Bescheid gegeben, »dann übersehe ich besser, wie ich dastehe.«
»Und die Lohnerhöhung?«
»Du willst das Geld doch sowieso nur fürs Trinken.«
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