Whiskey für alle
geht. Die meisten sind Gefangene auf dem Anwesen, das ihnen einst gehörte.«
»Genau das ist aber der Punkt, Tom. Alle, die ein Haus in der Stadt gekauft oder sich in Wohnungen eingemietet haben, sind mit ihrem Los zufrieden. Nur, wenn du zwei Frauen unter einem Dach hast, gibt es Ärger.«
»Willst du, dass ich meine Ersparnisse für ein Haus verschwende? Ist das dein Ernst?«
»Es muss ja nicht groß sein.«
»Natürlich muss es nicht groß sein, aber trotzdem kostet es eine Stange Geld, und am Ende sind wir arm und hängen von spärlichen Geldzuwendungen der Schwiegertochter ab.«
»Wenn du überschreibst, bekommen wir Altersrente.«
»Begreife endlich, Frau, dass ich nicht überschreibe. Hältst du mich für verrückt? Soll ich mich mit einem Federstrich von allem trennen, was ich auf dieser Welt besitze?«
»Du könntest ja Halbe-Halbe mit ihm machen.«
»Das funktioniert nicht. Grund und Boden sind nicht groß genug, um zwei Familien zu ernähren.«
»Du könntest ihm doch aber sagen, dass du ihm den Hof in ein oder zwei Jahren überschreiben würdest.«
»Nein, das tue ich nicht, auch in zwanzig Jahren nicht, falls ich so lange lebe. Der Bursche will immer nur etwas haben. Er ist mehr fürs Genießen. Saufen, Paffen und Umherschwärmen — nur danach steht ihm der Sinn.«
»Trotzdem-, wo immer er anpackt, leistet er gute Arbeit.«
»Ja, jetzt, aber was glaubst du, wie es läuft, wenn ich hier nicht mehr das Sagen habe?«
»Eine Frau würde schon dafür sorgen, dass es läuft.«
»Auf dem Hof braucht es einen sparsamen Mann, einen, der das Geld nicht sinnlos hinausschmeißt. Er kann noch ein Weilchen warten. Er wird es umso mehr zu schätzen wissen, wenn er alles bekommt. Ich geh jetzt und schau nach den Kühen.«
»Du hast wie immer recht«, lenkte Minnie Cutler ein. Die Erfahrung hatte sie gelehrt, nachzugeben, wenn es aussichtslos war, gegen ihn anzukommen. Folglich gab es nie richtigen Streit zwischen ihnen, zumindest in letzter Zeit nicht.
Über all die Jahre hatte sie ihm auch nie seinen Geiz vorgeworfen. Sie nahm die Situation als gegeben hin. Seiner Auffassung nach reichte es nie dafür, etwas für Kleidung oder Urlaub oder Leckerbissen zur Seite zu legen. Er sorgte für das Allernotwendigste, aber auch nicht mehr. Sie hatte es sich abgewöhnt, um etwas zu bitten. Auf diese Weise herrschte wenigstens Frieden, und der wog in ihren Augen alle Entbehrungen auf. Verschwende nichts, begehre nichts — das war von dem Tag an, da er Besitzer der Farm war, sein Leitsatz gewesen. Er hatte die Farm hoch verschuldet übernommen. Minnies bescheidenes Vermögen hatte nicht viel geholfen, wohl aber ständige Pfennigfuchserei. Jetzt hatten sie Geld auf der Bank und auf dem Grund und Boden jede Menge Vieh. Als das Geld sich mehrte, wurde Tom nicht müde, den einen Satz zu wiederholen, den er erstmalig an dem Tag ausgesprochen hatte, als er endlich aus den roten Zahlen war. »Spare, und du bringst es zu was, wer spart, macht keine Miesen.« Mit jedem Jahr, das verging, klammerte er sich immer mehr an diese Maxime.
Es entging ihm nicht, dass seine Nachbarn und auch die Leute von weiter weg wegen dieser seiner Eigenschaft, die er für seine größte Tugend hielt, immer wieder über ihn redeten. Sein Geiz war längst zum lokalen Gespött geworden. Wenn am Kirchentor für karitative Anliegen gesammelt wurde und Tom Cutler erschien, stieß man sich schon unverhohlen an. Er spendete nie etwas, egal, um welchen Anlass es ging. Sowie er an den Tischen mit der Sammlung vorbei war, glitt ein schwaches Lächeln über sein Gesicht. Ein Lächeln, das einzig und allein seiner Befriedigung galt, dass er sein Geld zusammengehalten hatte. Dass er keinen Pfennig vergeudet hatte, war für Tom Cutler ein wahrer Grund zur Freude. In solchen Momenten sonnte er sich und genoss sein Glück. Andere Freuden kannte er nicht.
Sein Sohn John dagegen galt als anständig und rechtschaffen. Er hatte nicht viel, wie seine Nachbarn sagten, aber von dem wenigen, was er hatte, gab er anderen, wenn es Not tat.
»Nach seinem Vater kommt er nicht«, sagte Mick Kelly, »aber nach seinem Großvater, seines Vaters Vater. Der war ein rechtschaffener Mann. Hätte sich das Hemd vom Leibe gerissen für Notleidende.«
Es blieb nicht aus, dass solcherlei Beurteilungen über seinen Sohn auch Tom zu Ohren kamen. Er konnte nur über sie lächeln. John war also wie sein Großvater, eben der Großvater, der sich zu Tode soff und Haus und Hof mit
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