Whiskey für alle
Mit diesen Worten war er ins Schlafzimmer gegangen und hatte sich eingeschlossen, die Auseinandersetzung war für ihn beendet. Verzweifelt hatte John den weiteren Abend bis Mitternacht im Pub verbracht. Als er nach Hause kam, hatte er versucht, die Schlafzimmertür zu öffnen, aber sie war noch immer verschlossen. Die Eltern hörten ihn in der Küche mit sich selbst sprechen. Eine lange Weile schwiegen beide. Dann brach Minnie das Schweigen, flüsternd nur, damit sie draußen nicht gehört werden konnte.
»Wäre es nicht besser, ein wenig nachzugeben?«
»Nein«, erklärte Tom entschieden.
»Er verhält sich aber so merkwürdig.«
»Willst du im Ernst, dass ich einem Verrückten nachgebe?«
»Nein, nein, das will ich nicht. Ich möchte nur, dass du ein kleines Zugeständnis machst.«
»Damit einer trinken kann, mache ich keine Zugeständnisse, Frau, merk dir das ein für alle Mal. Und nun schlaf.«
Minnie Cutler seufzte. Kurz bevor sie einschlief, murmelte sie nur: »Du hast, wie immer, recht.«
Am darauf folgenden Abend schaute Mick Kelly, der Briefträger, herein. Er erschien im Sonntagsstaat. Die Alten begrüßten ihn. John war nirgends zu sehen.
»Setz dich nur, setz dich.« Tom Cutler zog einen Stuhl ans Feuer.
»Und wie geht’s der Frau?«, erkundigte sich Minnie Cutler.
»Danke, es könnte nicht besser gehen«, lautete die fröhliche Antwort.
In jedem anderen Haus in der Nachbarschaft wäre er fürstlich empfangen worden. Man hätte die Whiskeyflasche auf den Tisch gestellt und den Teekessel aufgesetzt. Minnie, die nie in die Verlegenheit solcher Situationen gekommen war, suchte jetzt krampfhaft nach passenden Worten, fand aber keine. Mick Kelly war ein angenehmer Nachbar. Allzu gerne hätte sie ihm etwas angeboten. Ihr Mann merkte, was in ihr vorging.
»Ich nehme mal an, du hast schon zu Abend gegessen, Mick«, sagte er mit gezwungener Heiterkeit.
»Bin grad erst vom Tisch aufgestanden«, lautete die Antwort.
»Wir hätten dir gern etwas angeboten«, meinte Minnie halbherzig.
»Oh, das weiß ich«, versicherte er, »ich weiß das sehr wohl.«
Es sollte überzeugend klingen, um Minnie nicht in Verlegenheit zu bringen. Er konnte sich nicht entsinnen, jemals auch nur einen Schluck Tee bei den Cutlers bekommen zu haben. Allen anderen ging es genauso. Selbst die Bettler machten einen großen Bogen um das Anwesen. Manche sagten sogar, auf den Eingangspfosten an der Straße wären kleine Zeichen eingeritzt, die in der Geheimsprache der Landstreicher angeblich »Zieh weiter, es lohnt nicht« bedeuteten.
Eine gute Stunde sprachen die drei über das Wetter, die Ernte, das Vieh, dann über die Nachbarn und schließlich über die große weite Welt. Der alte Stanley Herd war längst kalt geworden, da man nichts nachgelegt hatte. In der Asche gab es zwar noch etwas Glut, aber hätte man darin herumgestochert, wäre alles in den Aschekasten gefallen. Mick Kelly wusste, dass es für die Cutlers nicht in Frage kam, so spät am Abend das Feuer neu zu entfachen.
»Nun ja«, sagte er und stand auf. »Ich muss mich langsam auf den Weg machen, aber ehe ich gehe, sollte ich euch doch noch verraten, weshalb ich eigentlich gekommen bin.« Er räusperte sich und rieb sich die großen Hände, um anzudeuten, dass er ein heikles Thema zur Sprache bringen würde.
»Es geht um John«, begann er. »Vielleicht denkt ihr, ich sollte mich nicht in eure Angelegenheiten mischen, aber ich kenne euch drei schon ewig und darf euch vielleicht doch auf ein paar Dinge aufmerksam machen.«
»Was ist mit John?«, fragte Tom Cutler.
»Er ist nicht mehr Herr seiner selbst«, erwiderte Mick Kelly. »Der arme Kerl trinkt zu viel und hat Schulden gemacht. Nicht gerade viel, ein paar Pfund hier, ein paar Pfund da. Auch mir schuldet er einen Zehner, aber nicht deswegen bin ich hier, den könnte ich glatt verschmerzen, wenn er ihm wirklich weiterhilft.«
»Soll er doch zu trinken aufhören, dann hat er die Schulden bald abgezahlt«, meinte Tom schroff.
»Ich fürchte, das meiste, was er trinkt, spendieren ihm andere, weil er ihnen leid tut.«
»Ist er schon so weit runter, dass er sich das Gesöff zusammenschnorrt?«
»Nein. So ist das nicht. Aber wenn die Leute sehen, dass ein Kumpel Probleme hat, halten sie ihn eben frei. Es ist ihre Art, ihr Mitgefühl zu zeigen.«
»Und was erwartest du von mir?«
»Zahl ihm etwas mehr Lohn. Gib dem armen Burschen ein paar hundert, damit er seine Schulden begleichen kann. Das reicht schon. Du
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