Whiskey für alle
hatten trauen wollen.
Um ein Uhr morgens zog man sich langsam zurück. Gegen vier war das Haus leer, nur Thade and Donal Fizzell blieben zurück und mit ihnen ein paar Kumpel, die ihnen bis Tagesanbruch Gesellschaft leisten wollten. Bei der Menge Alkohol, die sie konsumiert hatten, nahm es nicht Wunder, dass die gesamte Mannschaft alsbald in einen Tiefschlaf sank. Als sie am Morgen aufwachten, war die Leiche verschwunden. Sie schauten unter dem Bett nach, entdeckten dort aber nichts weiter als einen stattlichen Nachttopf, der schon bessere Tage gesehen hatte. Sie suchten in den anderen Räumen, fanden aber nirgends eine Spur von der vermissten Toten.
Während sie geschlafen hatten, war etwas Seltsames passiert. Im Tanvally Hochland lebte auf einem kleinen, abseits gelegenen Hof ein raubeiniger Kerl, der weit und breit als Cowboy Cooney bekannt war. Niemand wusste so recht, wie alt er war. Jung war er jedenfalls nicht. Er lebte völlig allein, hatte weder Frau noch Kind, Freundin oder Eltern. Seine einzigen Besucher waren poitcheen Händler, die in monatlichen Abständen zu ihm kamen, um ihm seinen köstlichen Selbstgebrannten abzukaufen. Ließen sich hin und wieder andere Besucher auf dem schmalen Weg, der zu seiner Behausung führte, sehen, flüchtete er in die Berge und kehrte nicht eher zurück, als bis sie gegangen waren. Schon am frühen Nachmittag war ihm aufgefallen, dass unten im Tal etwas Besonderes vor sich ging. Als es dann dunkel wurde und auf der Hauptstraße kilometerweit die Lichter von unzähligen Fahrzeugen blinkten, kam er ins Grübeln.
»Was kann das bedeuten?«, fragte er sich. Fielen Fremde über das Dorf her? Wurde das Tal von irgendeiner Katastrophe heimgesucht? Er zerrte eine Flasche Whiskey unter dem Schilfdach hervor und bezog auf einem Torpfeiler Posten, um einen günstigeren Blick auf das Geschehen im Tal zu haben. Hunderte Lichter kamen und gingen. Nachdem er die gute Hälfte der Flasche intus hatte, gelangte der Cowboy zu dem Schluss, dass das Treiben dort unten seine persönliche Aufmerksamkeit und Anwesenheit erforderte. Zur Gesellschaft nahm er die Flasche mit. Als er das Gehöft der Fizzells erreichte, das er von oben als den Kernpunkt des regen Treibens ausgemacht hatte, fand er nur die schlafenden Gestalten am Herdfeuer vor. Bedachtsam trat er näher und sah sich um. Auf dem Tisch stand neben einer Reihe leerer Flaschen auch eine volle Flasche Whiskey. Da er den eigenen Vorrat schon längst intus hatte, griff er nach dem willkommenen Fund und gönnte sich ohne abzusetzen die Menge von mindestens zwei Gläsern. Es war durchaus schmackhaftes Zeug, wenn auch im Vergleich zu seinem Selbstgemachten, wie er fand, weniger konzentriert. Mehr intuitiv als mit wachem Verstand erfasste er, dass der Grund allen Kommen und Gehens, das er beobachtet hatte, in dem Raum nebenan zu suchen war, in dem so romantisch Kerzenlicht flimmerte. Auf das, was sich ihm offenbarte, war er nicht gefasst. Einige Augenblicke lang stand er mit offenem Mund da, überwältigt von dem strahlenden Liebreiz der lächelnden Dame, die auf dem Bett lag. Ihr Lächeln ermutigte ihn, ein oder zwei Schritte näher zu treten. Bislang war Cowboy Cooney die Schüchternheit in Person gewesen. Damit war es jetzt vorbei. Das Lächeln auf dem Gesicht dieser wunderschönen Frau, die er noch nie zuvor gesehen hatte, flößte ihm Selbstsicherheit und Vertrauen ein. Er entnahm ihrem Gesichtsausdruck die Aufforderung, sich zu ihr auf die Bettkante zu setzen. Er tat es und offenbarte ihr seine Lebensgeschichte. Von Tränen überwältigt, durchlebte er all die tragischen Momente, und ihm war, als verwandelte sich das Lächeln der Schönen in Mitgefühl. Ihre augenscheinliche Zärtlichkeit ermutigte ihn, und er nahm ihre Hand in die seine, ohne zu bemerken, wie kalt sie war.
»Willst du mich heiraten?«, fragte er.
Sie lächelte, und er deutete ihr Lächeln als Zustimmung. Was war sie doch für ein stilles, einfühlsames, bescheidenes Wesen!
»Willst du wirklich die Meinige sein?« Wieder das zustimmende Lächeln.
»Du brauchst nichts zu sagen«, erklärte er, »dein Lächeln hat schon alles gesagt.«
Sanft hob er sie in die Arme und stolperte in die Küche, wo er sich den schlafenden Männern zuwandte.
»Ich nehme diese Frau mit mir, sie wird fortan meine rechtmäßig angetraute Ehefrau sein. Wenn einer der Anwesenden hier etwas dagegen einzuwenden hat, möge er es sagen oder für immer Frieden geben.«
Er wartete auf eine
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