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Whiskey für alle

Whiskey für alle

Titel: Whiskey für alle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John B. Keane
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die Sachen zusammenstellst«, sagte Imogen.
    »Selbstverständlich, gern, geh nur gleich durch.«
    Ein kleiner Durchgang führte in die Küche. Imogen strömten Hitzeschwaden entgegen, denn der blankgeputze Stanley-Herd, der den Raum beherrschte, war glutheiß. Angela stand über einen kleinen Tisch gebeugt und schnitt Fleisch in Würfel.
    »Ich komme hoffentlich nicht allzu ungelegen«, entschuldigte sich Imogen.
    Wortlos fegte Angela an ihr vorbei ins Geschäft. Ihr Wutausbruch draußen war auch für Imogen nicht zu überhören. »Ich hatte dir doch gesagt, dass ich niemanden sehen will, wenn ich arbeite. Kannst du dämlicher Schwachkopf dich nicht danach richten?«
    »Sieh doch aber mal, was sie alles auf ihrer Liste hat«, verteidigte sich Mick Fell kleinlaut.
    »Von mir aus kann sie sich dir sogar an den Hals schmeißen«, tobte Angela. »Ich kann es nicht ausstehen, wenn mir Leute in dem Höllenloch auf den Pelz rücken.«
    Sie kam zurück, stemmte die Hände in die Hüften und fragte Imogen: »Was willst du von mir?«
    »Nur das eine: Was hat dir Denny Bruder im Kino getan?«
    »Das geht dich ’nen Dreck an«, zischte Angela.
    »Seine Hoffnungen auf eine Heirat sind am Boden zerstört«, erwiderte Imogen. »Sag mir, was wirklich geschehen ist. Du hast mein Wort, ich behalte es für mich.«
    »Scher dich hier raus«, drohte Angela und ging einen Schritt auf sie zu. Imogen wich nicht von der Stelle.
    »Ich verlasse die Küche nicht eher, als bis du mir erzählst, was vorgefallen ist«, erklärte sie. »Von dem, was du mir sagst, hängt das Schicksal eines Menschen ab. Du bist genauso gut eine Mutter wie ich. Und als solche frage ich dich, ob dich Denny Bruder an dem Abend damals im Kino in irgendeiner Weise belästigt hat. Wenn er sich nichts hat zu Schulden kommen lassen, ist es deine verdammte Pflicht, das öffentlich zu bekennen. Wenn aber doch, dann sag es, und ich bin sofort hier raus.«
    »Ich habe dir nichts zu sagen. Bitte, geh.«
    Imogen war im Begriff, ihrer Aufforderung zu folgen, drehte sich aber noch einmal um und schaute Angela durchdringend an.
    »Sollte die Sache vor Gericht gebracht werden, und das kann gut sein, dann kommst du nicht so leicht davon.«
    Aus Angelas Gesicht schwanden Hochmut und Trotz. »Vor Gericht«, murmelte sie erschrocken.
    »Ja, vor Gericht.« Imogen spürte, dass sie an Boden gewann. »Dort werden Leute zur Rede gestellt, die einen anderen Menschen zugrunde richten.«
    »Ich habe niemanden zugrunde gerichtet. Ich habe nie ein böses Wort über den Mann verloren.«
    »Das mag schon sein. Du hast aber auch nie ein gutes Wort für ihn eingelegt.«
    Sie standen sich gegenüber, Auge in Auge. Aus dem Laden klangen Stimmen von Kunden herein. Mick Fell machte eine spaßige Bemerkung. Man lachte. Angela ging zum Tisch und nahm wieder ihre Arbeit auf. »Er hat mir nichts getan«, sagte sie über die Schulter hinweg. »Ich bin aufgestanden, weil er nach Knoblauch roch. Und als er dann aufstieß, ertrug ich es nicht länger und wechselte den Platz.«
    »Das hättest du auch früher sagen können«, stellte Imogen vorwurfsvoll fest, ging in den Laden und nahm die gefüllten Einkaufsbeutel. Noch am Nachmittag würde sie zu den Odells gehen. Erst aber wollte sie Denny Bruder aufsuchen. Es war nicht das erste Mal, dass sie über die unnatürliche Zurückhaltung von Frauen wie Angela Fell den Kopf schüttelte. Unwillkürlich überlief sie ein Schauder, als sie sich ausmalte, zu was für einem bösen Ende das beharrliche Schweigen solcher Menschen führen konnte.
    Als sie über die Straße zu ihrem Haus ging, erklang das Angelusläuten zum Mittagsgebet. Wie andere auch, die unterwegs waren, bekreuzigte sie sich. Zwischen den Glockenschlägen hörte man Kinder gellend aufschreien.

Curriculum Vitae

    Nie würde Fred Spellacy das Weihnachtsfest vergessen, das er als Ausgestoßener verbrachte, und das nicht wegen der trüben Gedanken und der Einsamkeit oder wegen der Beschimpfungen, die er zu erdulden hatte. Nein, er musste immer daran denken, dass ihn damals eine bislang nie erlebte Entschlussfreude gepackt hatte und dass er sich seitdem leichter und freier fühlte.
    Fred Spellacy glaubte an Weihnachten. Schon als Junge und auch später als Erwachsener hatte ihn das Fest mit einem Hochgefühl erfüllt, und dafür war er dankbar. In den letzten Jahren hatte er die Weihnachtszeit zwar weniger froh verbracht, aber seinen Glauben hatte er sich bewahrt, denn er war fest davon überzeugt, dass

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