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Whiskey für alle

Whiskey für alle

Titel: Whiskey für alle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John B. Keane
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anderes übrig, als dem dasselbe zu versprechen.
    »Und vergessen Sie nicht, wem Sie die Postmeisterstelle eigentlich zu verdanken haben«, hatte der Letztere ihn gemahnt.
    Es kam noch schlimmer. Die Oberin des hiesigen Klosters suchte ihn auf und legte ihm wortreich nahe, ja nicht ihren Schützling zu übergehen. Der sei ein wahres Muster an Unbescholtenheit, versicherte sie ihm, und der frömmste Katholik der ganzen Gemeinde. Kaum war sie fort, stellten sich weitere Männer von Einfluss und Ansehen ein: Ladenbesitzer, Lehrer und sogar einer von der irischen Polizei. Verzweifelte Arbeitsuchende, die vor nichts zurückschreckten, um sich die Stelle zu sichern, hatten sie beschwatzt, sich für sie zu verwenden. Sogar der Pub nebenan, der sonst als heiligste Freistatt galt, war nicht verschont geblieben. Der Wirt, der eigentlich immer gesellig und großmütig war, hatte ihm erst einen doppelten Power’s Gold Label Whiskey eingeschenkt und dann auf ihn eingeredet, doch auch an einen seiner Stammgäste zu denken, das sei ein Mann von untadeligem Charakter und unvergleichlicher Aufrichtigkeit, unheimlich gebildet und zu alledem noch einer von den Freischärlern im Unabhängigkeitskampf.
    »Komm bitte rein!« Wie gereizt seine Frau war, ließ sich unschwer aus ihrer Stimme heraushören. Sie wies auf einen Stuhl in der winzigen Küche.
    »Setz dich mal hin, mein Junge!« Während sie sich eine Zigarette anzündete, wandte sie ihm den Rücken zu. Ihn mit Verachtung strafend, blies sie den Rauch aus und genoss die Qualmwolken, die aus beiden Nasenlöchern quollen wie aus den Nüstern eines Drachens.
    Fred saß mit gebeugtem Kopf da, die Unterwürfigkeit in Person. Er wagte nicht einmal, ein Bein übers andere zu schlagen. Er traute sich auch nicht, ihr zu sagen, dass Kunden draußen warteten und die Schlange vor dem Schalter immer länger wurde. Er wusste, ein Wort von ihm genügte, und sie würde ihn mit einer Schimpfkanonade eindecken.
    »Melody O’Dea«, eröffnete sie die Verhandlung, »ist eine meiner besten Freundinnen.«
    Aus ihrer Tonart mochte man schließen, der verängstigte Mann ihr gegenüber hätte vor, bei der nächstbesten Gelegenheit die betreffende Frau grässlich zu misshandeln.
    Sie zog erneut an der Zigarette, worauf sie einen Hustenanfall bekam. Strafend blickte sie Fred an, als sei er daran schuld.
    »Der Mann von ihrer Reinemachefrau, der Mick, hat seit drei Jahren schon keine Arbeit mehr.«
    In einem Ton, der keinen Widerspruch duldete, fuhr Alannah Spellacy fort: »Und deshalb wirst du dafür sorgen, dass er den Job kriegt.«
    Damit stand sie auf, hielt die Zigarette zwischen den Lippen und warf sich den Mantel über.
    »Ich gehe jetzt«, verkündete sie triumphierend, »und vermelde Melody die frohe Botschaft.«
    Als Tom Hallon sich am nächsten Tag mittags zur Arbeit in der Poststelle meldete, war Alannah Spellacy dermaßen fassungslos, dass es ihr die Sprache verschlug. Als Tom Hallon dann sogar die Briefträgermütze aufsetzte, die ihm bestimmt eine Nummer zu groß war, brach sie vollends zusammen. Ihr Mann und Miss Finnerty mussten sie nach oben schaffen und ins Bett bringen, und noch immer fehlten ihr die Worte. Die Weihnachtstage über blieb sie dort liegen. Ihre Stimme aber gewann sie wieder, und die schallte erneut durchs ganze Haus. Erst kurz nach Weihnachten änderte sie überraschenderweise ihren Ton, denn ihr war aufgegangen, dass die Sanftmütigen nicht länger sanftmütig waren und man sie wohl oder übel hätscheln musste.
    Alannah Spellacy hatte begriffen, dass sie ihren Mann zum Äußersten getrieben hatte. Auch andere kamen mit der Zeit zu demselben Schluss. Spät im Leben, aber nicht zu spät, wandelte sich Fred Spellacy von einer Marionette zu einem entschiedenen und selbstständiger handelnden Mann.
    Die ganze Nacht vor der Amtsvergabe hatte er sich mit der Entscheidung gequält. Anfangs glaubte er, dass es in seinem Interesse läge, den Bewerber einzustellen, der den einflussreichsten Schirmherrn hinter sich hatte. Doch heimlich keimte schon seit Jahren in seinem Unterbewusstsein die Saat der Rebellion. Dolly Hallon war lediglich der auslösende Faktor.
    Fred hatte es gründlich satt, sich ständig vorschreiben zu lassen, was er tun sollte und was nicht. Kurz nachdem Dolly die Tür der Poststelle hinter sich zugemacht hatte, war die Krise endgültig zum Ausbruch gekommen.
    In der Nacht war er alle Bewerber und deren Für und Wider durchgegangen; vier hatte er dann in die

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