Whisky: Mord im schottischen Schloss (German Edition)
und gab ihr den Apparat zurück.
„Nun?“ fragte sie.
„Fehlanzeige.“
Innerlich atmete sie auf. Sie hatte seinem Bericht mit größtem Interesse gelauscht, fragte sich jetzt aber, warum er ihr das alles erzählte. Sie sagte es ihm.
„Ich weiß nicht mehr weiter. Ich hatte gehofft, dass dir vielleicht etwas einfallen würde.“
Forschend sah sie ihn an.
„Hast du schon jemals einen Fall zu den Akten legen müssen?“ fragte sie schließlich.
Er nickte. „Oh ja! Ein mehr als unbefriedigender Vorgang.“
„Hast du dadurch berufliche Nachteile?“
„Nein. Ich lege meine Ermittlungen der Staatsanwaltschaft vor, und wenn denen auch nichts mehr einfällt, was in der Vergangenheit bei solchen Ereignissen der Fall war, wird die Sache ruhen gelassen.“
„Ruhen gelassen.“
„Richtig. Es gibt davon mehr Fälle als du denkst. Im Fernsehen und Film siegt immer die Gerechtigkeit, sprich, die Polizei. In Wahrheit decken wir weitaus weniger Verbrechen auf. Manchmal denke ich, dass der Staat solche Filme dreht, damit die Allgemeinheit sich in Sicherheit wiegen kann.“
Sie grinste. „Das ist ja ein zynischer Gedanke.“
„Aber weißt du, meistens hatten wir irgendeinen Anhaltspunkt, kannten die Leiche oder den Täter, oder beides, und konnten ihn nur nicht festnageln oder überhaupt zu fassen kriegen. Aber diese Sache hier… Unbekannte Leiche, kein Motiv, kein Verdacht… Ich tappe völlig im Dunkeln, weiß überhaupt nicht, in welche Richtung ich gehen soll.“
„Du tust mir sehr leid. Mir kommen gleich die Tränen.“
„Hey, Frieden, okay?“
Camilla nickte.
„Ich möchte, dass du eines weißt“, fing er an. „Hm, ich… Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll, du glaubst mir ja doch nicht. Aber…“
Verwundert sah sie ihn an. Was stotterte er da zusammen? Sie wollte ihn schon ironisch fragen, da riss er sie an sich und küsste sie. Sie versuchte sich loszumachen, aber nach einer Weile gab sie es auf. Flüchtig dachte sie an Axel, aber auch der Gedanke wurde von seiner Leidenschaft weggewischt.
Er liebte sie mit einer Heftigkeit, von der er gar nicht wusste, dass er dazu fähig war, und mit einer Leidenschaft, die er nie zuvor für irgendjemanden empfunden hatte. Sie klammerte sich an ihn mit aller Kraft, was seine Begierde noch steigerte.
Zwischendurch sah er sie zärtlich an, konnte ihren Gesichtsausdruck nicht richtig einordnen. Er empfand all die Gefühle, die er früher als kitschig bezeichnet hätte; das Bedürfnis, sie zu verwöhnen und zu beschützen. Und vor allem spürte er mehr als nur körperliche Lust, viel mehr, als er jemals für eine Frau empfunden hatte oder für die wenigen Abenteuer nach seiner Ehe.
Ihr liefen ein paar Tränen die Wangen hinunter.
„Warum weinst du?“ fragte er leise.
Sie zuckte die Schultern. „Wegen allem. Dass ich meinen Mann betrogen habe. Dass wir uns so kennen gelernt haben, dass wir uns überhaupt kennen gelernt haben, und weil ich nicht wieder nach Deutschland zurück will, aber muss. Und weil ich dir so gern vertrauen würde aber nicht kann.“
„Doch, du kannst. Bei mir bleiben und mir vertrauen. Es ist nämlich so, dass ich dich“, er zögerte ein paar Sekunden, „liebe.“
Nach einer ganzen Zeit richteten sie sich auf, schoben den Heuballen fort und pflückten sich gegenseitig die Halme von der Kleidung und aus den Haaren. In dem gedämmten Stalllicht sahen sie sich an. Camilla warf einen Blick auf die Pferde. Die standen oder lagen mit geschlossenen Augen und strahlten eine ungeheure Wärme und Gemütlichkeit aus. Fast bedauernd verließen sie en Stall.
„Meinst du, diese Stallatmosphäre wirkt irgendwie stimulierend?“ fragte sie ihn grinsend.
„Wir können es ja mal ausprobieren, in meinem Zimmer. Vielleicht wirkt das ja auch.“
„Nein, ich glaube, das wäre nicht so gut. Wir sollten uns jetzt lieber trennen.“
„Ungern“, murmelte er und küsste sie noch einmal.
Aufgewühlt lag er Minuten später in seinem Bett. Er dachte an sie und welches Geheimnis sie vor ihm verborgen hielt. Diese Traurigkeit, die sie immer wieder überkam! Es waren nicht nur die Gründe, die sie ihm geschildert hatte; es steckte noch mehr dahinter.
Camilla fand ebenfalls keinen Schlaf. Wie sollte das Leben bloß weitergehen? Sie empfand viel für Russell – zu viel. Konnte sie jemals wieder glücklich mit Axel werden? Andererseits: Wenn er nicht so abweisend reagiert hätte, wäre das mit Russell auch passiert? Fiel sie immer
Weitere Kostenlose Bücher