Whisper (German Edition)
etwas Gewalt hindurchschieben und die Bügel öffneten sich um weitere Millimeter. Kaum war das passiert, passte der erste kleinere Ast hindurch, den Jasmin nach unten schob, da er sich nach hinten verdickte. Wieder öffnete sich die Falle um ein ganzes Stück. Judith gebärdete sich dabei wie ein wilder Stier. Sie brüllte in ungeahnten Dimensionen, je weiter sich die Falle von ihrem Bein löste, bäumte sich auf, versuchte ihre Beine zum Treten zu verwenden und wehrte sich mit aller Kraft gegen die Hände, die sie hielten. Markus war gezwungen, seine ganze Kraft einzusetzen, um sie festzuhalten. Und er ließ trotz ihres Geschreis nicht locker, legte sogar seine Beine um ihren Leib, um sie festzuklammern. Christina weinte stille Tränen, verzog ihr Gesicht zu einer entsetzten Grimasse, aber auch sie blieb auf den Beinen sitzen, drängte die Knie nach unten.
Der erste Stein kam. Die Bügel der Falle hatten sich bereits vom Fleisch des Beines gelöst. Blut verschmierte das Eisen und die Erde darunter. Der zweite Stein wurde zwischen die Bügel geschoben, ein dicker Ast folgte. Die Falle drohte wieder zuzuklappen, doch das Bein befand sich bereits locker zwischen den Bügeln. Jasmin hob es an, musste es leicht verdrehen, um den Fuß aus den Bügeln zu manövrieren, was das Gebrüll Judiths noch um einiges steigerte. Jasmin biss die Zähne zusammen. Sie konzentrierte sich nur auf ihre Arbeit, versuchte das Geschrei zu verbannen, nicht hinzuhören, es an sich abprallen zu lassen. Die Tatsache, dass sich das Bein in der Falle bewegte, gab ihr mächtigen Auftrieb. Patrick half ihr, es aus den Eisen zu winden. Kaum hatte man es aus den Schlagbügeln gelöst, gab Jasmin dem Ding einen saftigen Tritt, sodass es ins Buschwerk flog. Der Ast rutschte heraus und die Falle schnappte mit einem klappenden Geräusch erneut zu. Allerdings war dieses Geräusch kaum wahrnehmbar, denn Judith brüllte nach wie vor ihren Schmerz mit voller Kraft hinaus. Jasmin zog schnell ihre Jacke aus, schlüpfte aus dem Pullover und entledigte sich auch ihres T-Shirts. Kurzfristig stand sie lediglich im BH bekleidet vor den Jungs, zog sich aber dann Pulli und Jacke wieder über. Mit dem Messer zerteilte sie das T-Shirt in kleine Fetzen und band es um die Wunde. Nach einigem Wickeln und mehreren Knoten war die Wunde grob verbunden. Mehr hatte sie nicht.
„Okay“, nickte sie Patrick zu, und deutete der weinenden Christina, dass sie von den Beinen steigen konnte. Markus lockerte seinen Griff. Das Gebrüll ebbte langsam ab und ging in ein Stöhnen und Jammern über. Judith keuchte. Der Schweiß ran ihr von der Stirn und durchfeuchtete ihre Haare. Ihre Brust hob und senkte sich wie nach einem Marathonlauf. Doch nicht nur sie rang heftig nach Luft, auch Markus blieb am Baum gelehnt sitzen, um wieder zu Atem zu gekommen. Schnaufend wischte er sich über die Stirn und ein leises „püüüh“, glitt über seine Lippen. Christina hatte sich von Judiths Beinen gerollt und war auf der Erde sitzen geblieben. Patrick hatte kniend seinen Kopf in die Hände gestützt und Edith wischte sich ebenfalls Tränen aus ihrem Gesicht.
„Wir haben es geschafft“, meinte sie leise, wobei sie sanft zu lächeln versuchte. „Wir haben es wirklich geschafft.“
Jasmin ging jedoch nicht weiter auf den leichten Jubel ein, der sich unter den Kids verbreitete. Vorsichtig war ihr Blick, denn sie den Raben zuwerfen wollte, aber der Ast war leer. Auch der Bär war nicht mehr zu sehen.
„Ich glaube“, meinte sie langsam, wobei sie aufmerksam um sich sah, „das war nur ein kleiner Teil von dem, was noch vor uns liegt. Wir haben Judith befreit, aber sie muss schnellstens zu einem Arzt. Niemand weiß wirklich, wo wir sind. Also werden wir einen Weg finden müssen, wieder zur Ranch zu kommen.“
„Aber“, Christina sah Jasmin aus rot geweinten Augen an, „wie sollen wir Judith transportieren? Sie kann doch nicht laufen!“
Diese sah dem Mädchen ins Gesicht und bemerkte eine Veränderung. Jasmin konnte sich nicht helfen, und vielleicht war es irgendwie unpassend, aber an ihrem Ausdruck hatte sich definitiv etwas geändert.
„Wir haben Tom“, erklärte sie ruhig. „Tom wird sie tragen. Und wir werden ihr alle helfen, solange, bis uns entweder jemand findet oder wir die Ranch erreichen.“
Jasmin beugte sich etwas vor und fasste Judith ins Gesicht und auf die Stirn. Nein, Fieber hatte sie nicht und an Schmerzen, auch wenn sie noch so groß waren, starb man
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