Whisper (German Edition)
krächzten nun zu zweit, scheinbar um die Wette, und machten dabei einen höllischen Lärm. Dabei breiteten sie ihre Flügel aus, drehten sich auf dem Ast hin und her, und verursachten mit wildem Schlagen der Flügel ein unheimliches Geräusch. Als sich Patrick anschickte den ersten Stein gegen das pelzige Raubtier loszuschicken, ließ sich einer der Raben fallen, fing sich in der Luft und flog direkt vor Patricks Gesicht hoch, sodass dieser entsetzt zurückwich, über eine Wurzel stolperte und nach hinten fiel.
„Halt, halt!“ Beschwörend hob Jasmin ihre Hände und erreichte, dass man innehielt. „Wartet mal.“
Die ersten Hände senkten sich, während Patrick langsam wieder auf die Beine kam. Jasmin sah zu dem Bären hinüber, der abermals bedeutend mit dem Kopf hin und her wackelte. Das Tier war von graubrauner Farbe und war mit dem Buckel im Nacken, Muskelmasse, die bis in die Vorderbeine reichte, eine riesige Erscheinung. Sollte er sich zu seiner vollen Größe aufrichten, maß er bestimmt deutlich über zwei Meter. Ein Schwarzbär konnte es nicht sein. Das Fell war eben nicht schwarz, und viel Auswahl gab es hier nicht. Jasmin blickte sich kurz um. Die Raben saßen wieder auf ihrem Ast, beobachtete still, hatten sich beruhigt. Auch Tom hatte sich wieder im Griff, schien sich in ihrer Nähe sicher zu fühlen, ließ jedoch den Bären nicht aus den Augen, der majestätisch und erhaben neben dem Baum stand und seine betont mächtige Masse eindrucksvoll zur Schau stellte. Mehrmals blickte Jasmin zwischen ihm und den Raben hin und her, band Tom an einen Ast und holte ihr Werkzeug aus der Satteltasche.
„Los jetzt“, ordnete sie hart an, „wir befreien das Bein und bringen Judith in Sicherheit.“
Ratlos sahen die Kids ihr zu, wie sie an ihnen vorbei trat, das Raubtier völlig außer Acht lassend.
„Aber der Bär?“
Jasmin warf einen Blick auf die Kids, die die Steine noch immer in Händen hielten, und wechselte dann zu dem Raubtier.
„Er beobachtet nur“, erklärte sie ruhig. „Und wird uns nichts tun. Patrick, Markus, helft mir mal.“
Nur zögernd ließen die Burschen ihre Steine fallen, sahen sich gegenseitig an, bevor sie sich zu Jasmin begaben, die wieder neben Judith saß und die Falle berührte.
„Woher weißt du, dass uns der Bär nichts tun wird? Das Vieh könnte uns alle mit einem Prankenhieb erledigen?“
Zusammen war man an Judith herangerückt, beobachtete skeptisch das Tun des Bären und konnte nicht ganz verstehen, warum Jasmin sich keine Sorgen um seine Anwesenheit machen wollte. Diese sah nochmal auf, blickte den Kids ins Gesicht.
„Manchmal ist es gut, den Zeichen des Waldes zu vertrauen. Der Bär wird uns nichts tun. Wir sind in seinem Zuhause. Er hat das Recht, uns zu beobachten, aber er wird uns nicht hirnlos angreifen. Das machen Menschen. Er weiß, dass wir harmlos sind. Vertraut ihm.“
„Na, ich weiß nicht. Einem fünfhundert Kilo …“ Markus kam nicht weiter. Jasmin hob ruckartig ihren Kopf und starrte ihm eindringlich in die Augen.
„Vertrau ihm!“, wiederholte sie. „Er sieht die Gefahr genauso in dir, wie du in ihm. Wenn du ihm zeigst, dass von dir keine Gefährlichkeit ausgeht, wird er auch keine suchen. Wir haben den Verstand dazu, er nur seinen Instinkt.“
„Na hoffentlich weiß er das auch!“
Jasmin warf nur einen kurzen Blick auf Patrick, konzentrierte sich aber dann wieder auf das Eisen. Es war kalt und mörderisch, gedacht für einen Bären wie den Grizzly, der dort neben den Bäumen stand und wartete.
„Wir müssen die Falle aufhebeln!“ Jasmin zeigte auf die Feder. „Ich werde versuchen, zwischen die Schlageisen zu kommen und etwas reinstecken. Dann klemmen wir einen Ast dazwischen, dann einen Stein. Mit etwas Glück sollten wir es schaffen, die Bügel zu öffnen. Markus!“ Jasmin blickte ihm prüfend in die Augen. Noch immer waren die Kids verunsichert. Edith und Christina hatten sich an den Baum gedrängt, während Edith versuchte, sich hinter Christina zu verstecken. Immer wieder starrten sie ängstlich auf den Bären.
„Ich habe Angst“, erklärte sie leise, was Jasmin veranlasste, den Blick von Markus zu ihr zu wechseln.
„Er wird uns nichts tun“, wiederholte sie eindringlich, „sonst hätte er es längst getan. Du solltest dir mehr Sorgen um Judiths Bein machen, als um den Bären. Markus …!“ Ihre Augen wechselten wieder zu dem Jungen. Fest tauchte sie in seinen Blick, schien ihn zu durchbohren. „Du setzt dich hinter
Weitere Kostenlose Bücher