Whisper (German Edition)
Großen Geist zu lachen oder an ihm zu zweifeln. Er hatte versucht zu verstehen und nachzuvollziehen und über die Jahre einen gewissen Einblick erlangt. Wissen, was ihm jetzt half, die Worte seines Freundes zu verstehen. Ja, und auch bei seinem ersten Abschied hatte er geglaubt, ihn nie wiederzusehen und jetzt wohnte er hier.
Gemeinsam schritten sie durch den Wald, in der Hoffnung irgendwann auf die beiden Männer zu treffen. Ab und an pfiff Kino. Sollte seine Stute in der Nähe sein, würde sie reagieren. Aber es tat sich rein nichts. Es war fast so, als wäre der Wald ausgestorben, wenn nicht ein aufgescheuchter Fuchs das Weite gesucht hätte.
Nach eineinhalb Stunden machten sie zum ersten Mal Halt.
„Glaubst, du, dass sie Kinsky und Jaro wirklich ausgesetzt haben, so wie uns? Dann hätten wir sie doch längst treffen müssen.“
Kino zuckte mit den Schultern.
„Nur, wenn sie die Spur zurückverfolgt haben. Ich habe schon vorhin mal darüber nachgedacht. Was ist, wenn die Wilderer meinen Dad und Kinsky mitgenommen und irgendwo eingesperrt haben. Oder gar noch Schlimmeres.“
Stefan zog die Stirn in Falten.
„Glaubst du, dass sie ihnen was getan haben? Ich meine, sie werden sie doch nicht …?“
Kino schüttelte den Kopf.
„Das glaube ich nicht. Mord wird sehr hart bestraft, im Gegensatz zu Wilderei. Außerdem hätten sie bei Mord die RCMP sofort im Genick, was bei Wilderei nicht so dringlich ist. Da ist eher Dan zuständig. Vielleicht haben sie ja auch jemanden getroffen und sind längst raus aus dem Wald, oder man hat sie an einen Baum gebunden, wo sie nun ebenso auf Hilfe warten, wie die Kids, die irgendwo stecken müssen.“
„Und wir haben keine Ahnung, wo wir suchen sollen, sind meilenweit von der Ranch entfernt, haben kein Funkgerät, kein Pferd, noch nicht mal ein Messer, um uns zu verteidigen. Komm schon, spielen wir Rateshow. Was macht ein gestrandeter Buschpilot im Wald zuerst? Sich selbst retten, die Männer suchen und retten, oder die Kids suchen und ebenso retten, oder vielleicht doch zur Ranch zurücklaufen? Darf ich um ihre Antwort bitten?“
„Stevie“, Kino knuffte ihn in die Seite. „Lass den Quatsch. Obs jetzt richtig ist oder nicht, ich bin dafür, dass wir den Hufspuren weiter folgen. Pferde lösen sich nicht in Luft auf. Die Fährte muss irgendwohin führen. Normalerweise enden sie bei denen, die sie hinterlassen haben, oder? Haben wir unsere Pferde wieder, sind wir einen Schritt weiter.“
Stefan seufzte.
„Also gut, dann noch ein Stück, bis zur vollkommenen Resignation!“
Kino grinste ihn an. Resignieren würde von ihnen beiden keiner, höchstens die Lage neu überdenken.
Nach einer weiteren halben Stunde hörten die Hufspuren schlagartig auf. Der Boden wurde felsiger und fester und nichts nahm den Abdruck mehr auf.
„Hier sind sie stehen geblieben, siehst du!“ Kino deutete auf den zertrampelten Boden. „Die Pferde waren unruhig, sind herumgegangen, haben gezappelt. Irgendeines hat umgedreht, da führt eine Spur in den Wald. Möglich, dass es abgehauen ist. Mich wundert es sowieso, dass sie überhaupt so weit gekommen sind, denn gestern war es schon fast dunkel.“
„Oder sie sind heute Morgen weitergeritten.“
„Das kann auch sein.“ Kino nickte und betrachtete den Haufen Pferdeäpfel. Eigentlich war er viel zu trocken für heute Morgen.
„Und hier ist Schluss. Ich glaube, sie haben Äste zusammengebunden und die Spuren verwischt. Unsere Pferde sind, bis auf Tom, alle unbeschlagen. Sie hinterlassen keine Kratzer auf dem Fels, aber die Spur eines beschlagenen Pferdes führt dort in den Wald. Entweder er hat sich verdünnisiert, was aber für Tom untypisch ist. Der rennt nicht weg. Oder jemand ist mit ihm den Wald hinaufgeritten. Wenn wir also nicht weiter ins Ungewisse rennen wollen, dann sollten wir umkehren und vielleicht doch zur Ranch zurückgehen.“
Stefan ließ sich fallen.
„Weißt du eigentlich, dass ich das Laufen nicht mehr gewohnt bin? Wie hat Jasmin das gemacht? Wie hat sie acht Stunden neben Tom ausgehalten. Ich gehe ja jetzt schon ein.“
Jasmin! Wie hatte sie das wirklich gemacht? Gewaltmärsche waren auch in München nicht üblich, für sie, schon mal gar nicht. Aber selbst ihre wundgescheuerten Füße hatten sie weder gebremst noch aufgehalten. Er hätte aufmerksamer sein sollen, als er sie nach ihrer Flucht von der Ranch im Wald gefunden hatte. Sie hatte sich komisch bewegt und er hatte es nicht hinterfragt. Später hatte er
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