Whisper (German Edition)
nicht mehr aufgepasst, schlicht nicht daran gedacht.
„Sie hat die Zähne zusammengebissen!“, erklärte er ruhig und blickte suchend durch die Bäume.
„Wenn ich die Zähne noch mehr zusammenbeiße, dann habe ich bald keine mehr. Echt, die junge Dame bewundere ich immer mehr.“
Kino bewunderte sie nicht nur, sie faszinierte ihn. Aber das Stefan jetzt erklären zu wollen, war ihm zu mühsam.
„Also, was machen wir jetzt?“ Stefan klatschte in die Hände, wodurch Kino aufsah und eine Bewegung hinter ihm bemerkte. Er stockte, starrte an seinem Freund vorbei, was diesem auffiel, und dazu veranlasste, die Stirn in Falten zu ziehen und an ein Waldgespenst zu glauben. Langsam drehte sich Stefan um.
„Sie dir das an!“ Kino trat einige Schritte vor und blickte ungläubig zwischen den Bäumen durch. Dort kamen zwei Pferde auf sie zu, gesattelt und gezäumt, der Zügel am Knauf befestigt, und hinter ihnen war dieses goldene Pferd, welches offensichtlich dafür sorgte, dass die beiden Reitpferde nicht stehenblieben. Es trieb sie immer weiter auf die Männer zu, achtet darauf, dass keines abbog. Die weiße Mähne schimmerte in der Sonne, das goldene Fell strahlte, als wäre es gerade erst poliert worden, und selbst die weißen Abzeichen an den Beinen schienen in ihrer ganz besonderen Form zu glänzen.
„Kino!“ Stefan griff nach seinem Arm. „Bitte sag mir, dass ich mich gerade in einer Wunderwelt befinde und das da, was da jetzt kommt, keinesfalls echt ist.“
Aber er träumte nicht. Die beiden Reitpferde kamen nahezu freiwillig zu den beiden jungen Männern, scheinbar dankbar, nicht mehr allein zu sein, während der Palomino zurückblieb, den adeligen Kopf hob und mit den dunklen Augen die Szene überwachte. Kino ging auf die Pferde zu, nahm die Zügel vom Knauf, ließ den Blick kurz über das Sattelzeug schweifen, bevor er sich der hellen Stute zuwandte. Fast im selben Moment ließ er die Zügel wieder fallen und trat langsam auf das Tier zu. Die Stute schaute ihm interessiert entgegen, zeigte keine Spur von Angst oder Schreckhaftigkeit, sondern wartete geduldig ab. Kino ging sehr langsam, tat leise einen Schritt vor den anderen und schlich fast, als er dem unsagbaren Tier fast auf Tuchfühlung gegenüberstand. Vorsichtig streckte er die Hand aus, beugte sich etwas vor und sah, wie das Tier den Kopf reckte und vorsichtig mit den Nüstern über seine Finger glitt.
„Mystery“, flüsterte Kino leise und erlebte ein zartes Kribbeln im Arm, als die Stute ihn berührte. „Wie konntest du uns finden? Woher weißt du überhaupt …“ Ein Krächzen gab ihm die Antwort. Kino blickte kurz auf und sah die beiden Raben dort am Ast sitzen und die Schwingen ausbreiten. Ein Hauch von spiritueller Macht berührte ihn, und er verspürte tiefe Ehrfurcht vor den Mächten, die das möglich machten. Das, was sich gerade vor ihm abspielte, zeigte ihm, wie stark die Macht war, die in diesem Wald lebte, die sie alle umgab, und wie sehr sie sich einzusetzen vermochte, wenn man an sie glaubte, sie nicht versuchte auszunutzen, und jede Handlung, die einem zuteil wurde, auch sah und wusste, von wem sie kam und sie nicht einfach dem Zufall oder dem Schicksal zuschob.
„Ich danke dir!“, flüsterte er leise und griff sich dabei ans Herz, der Ort, an dem es momentan am meisten brodelte. Wie konnte er sich bedanken, damit der Große Geist, Great Spirit, auch wusste, wie ernst ihm dieser Dank war und wie tief die Ehrfurcht, die er gerade verspürte. Wahrscheinlich gab es nichts, was in diesem Moment gereicht hätte.
Plötzlich drehte die Stute um und verschwand mit kraftvollen und doch wieder sanften Galoppsprüngen zwischen den Bäumen. Der Schweif leuchtete nur kurz wie eine Signallaterne, bevor der Funke verschwand und alles so war, als hätte es den Palomino nie gegeben. Kino blieb zurück, für einen Augenblick unfähig sich zu bewegen, so sehr war er von der Macht angetan. Erst nach geraumer Zeit, gefühlter Ewigkeit, schaffte er es einen Blick nach oben zu werfen, aber auch der Ast war leer.
„Ich will ja nichts sagen, Kino. Aber ein wenig unheimlich ist das schon.“ Stefan trat neben ihn, den Blick in den Wald gerichtet und verschränkte die Arme vor der Brust.
„Es ist Jasmins Pferd!“, bemerkte Kino ruhig.
„Welches? Das da eben verschwunden ist?“
Der junge Indianer drehte sich um.
„Das ist Jasmins Pferd“, wiederholte er. „Das Pferd, welches sie immerzu zeichnet. Du sagtest mal, einen Blick auf die
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