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Whisper (German Edition)

Whisper (German Edition)

Titel: Whisper (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandy Kien
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war so unendlich, die Flächen von atemberaubender Größe. Jasmin kam sich vor, wie die berühmte Stecknadel im Heuhaufen. Sie hoffte inständig, dass ihr Instinkt sie nicht ganz in die Irre führte und sie den richtigen Weg finden würde. Zudem kamen sie nur sehr, sehr langsam vorwärts. Judith gehörte dringend in ein Krankenhaus, bevor sich die Wunde entzündete und sie Fieber bekam. Jasmin war kein Arzt, aber sie wusste doch, dass es dem schwer verletzten Mädchen das Leben kosten konnte, wenn sie nicht alsbald medizinisch versorgt werden würde.
    „Ich muss hier raus finden“, sprach sie leise zu sich selbst und strich mit den Händen über die Ganaschen des Wallachs, kraulte ihn sanft zwischen den Kieferknochen und bemerkte, dass das Tier diese Berührung genoss und sich ihr mit leicht hängendem Kopf hingab. „Du hast mich hierher gebracht, Tom. Wie kann ich es dir begreiflich machen, dass wir auch wieder zurück müssen? Du kennst den Weg, ich kenne ihn nicht. Hilf mir, Tom. Ich komme mir so verlassen vor und die anderen vertrauen mir blind.“ Sie drängte sich eng an das Tier, strich über seine Brust und legte den Arm um seinen Rücken. Der Wallach bewegte sich nicht, als sie sich gegen ihn lehnte, sondern schaute nur kurz zurück, um dann zufrieden zu schnauben. Jasmins Gedanken glitten zu Kino. Sie hatte es nie wirklich registriert, aber er bewegte sich absolut sicher in den Wäldern. Logisch, es war ja auch seine Heimat. Er war hier aufgewachsen. Wenn er die Wildnis nicht kannte, wer dann? Sie vermisste ihn. Sie vermisste seine Nähe, seine beruhigenden Berührungen, das Händchenhalten, von dem sie eine ganze Zeit nicht gewusst hatte, wie sie es deuten sollte. Es hatte ihr Wärme und Sicherheit gegeben, ihr zu verstehen gegeben, dass sie nicht allein war. Noch nie war sie in dieser Art berührt worden. Ja, man hatte sie berührt, wie eben Menschen einander berührten, ohne Bedeutung. Im Krankenhaus hatte man sie gewaschen, sie berührt, wenn man ihre Wunden versorgte, wenn man ihr Spritzen gegeben oder sie an Infusionen gehängt hatte. Sie war auf diese Berührungen nicht scharf gewesen. Auch ihre Pflegeeltern hatte sie berührt. Hatten versucht nett zu sein, sie dann und wann gestreichelt, und wollten vermutlich so etwas wie eine vertraute Basis schaffen. Irgendwann waren sie Gewohnheit geworden, diese Berührungen. Es waren Menschen, die auf einmal in ihr Leben getreten waren, die sich bemüht hatten, die ihr Dinge gekauft, und die versucht hatten, sie abzulenken. Aber sie hatte sämtliche Versuche im Keim erstickt, Berührungen stets blockiert. Sie wollte das nicht. Kino hatte sie etwas Neues entdecken lassen. Sie lehnte ihn nicht ab, empfand ein wohliges Gefühl, wenn er zart nach ihr griff, und dieses tiefe Gefühl der Sicherheit stellte sich auf der Stelle ein, wenn er da war. Kino war gut zu ihr, und sie hatte den Eindruck, er würde sofort ins Gefecht ziehen, sollte sie in Gefahr sein. Wo war er jetzt? Was hatten die Wilderer mit ihm und den anderen gemacht? Doch, sie hatte sich ein bisschen in ihn verliebt. Sie mochte ihn viel zu sehr, als zu sagen, er wäre nur ein guter Freund. Es war auch kein Spiel, kein Versuch, kein pubertierendes verknallt sein. Jetzt an ihn zu denken, brachte ihr Herz dazu, heftiger zu schlagen. Jasmin strich einmal mehr über Toms Kopf und blieb an seinem Auge hängen. Sie kannte seinen Blick. Er war ruhig, besonnen, ehrlich und echt. Seine Augen verrieten, dass er bisher ein sehr gutes Leben geführt hatte. Niemand hatte ihm geschadet, er war immer gut behandelt und versorgt worden. Und aus diesem Auge hatte ihm vor ein paar Tagen Whisper entgegengeblickt. Sie hatte Kontakt zu ihr aufgenommen, ihr gezeigt, dass sie da war. Whisper – Mystery. Oh ja, sie war da. Die gute alte Whisper hatte sie nicht im Stich gelassen. Sie schämte sich fast ein wenig dafür, am Vorabend so derart … was hatte sie eigentlich gesehen? Kino hatte ihre Zeichnungen bewundert und dabei hatte sie seinen eigenartigen Blick verfolgt. Das Pferd aus ihrem Geist, jenes, das sie zu Papier gebracht hatte. Kein Wunder, dass ihr immer dasselbe Pferd erschienen war. Es war Whispers Seele gewesen, die ihr dieses Bild gegeben hatte, da Whisper ihre Seele nie ruhen lassen wollte. Die alte Stute hatte den Drang, bei ihr zu sein, das Band der Liebe nie zerstören zu lassen, und es war der Körper jenes goldenen Pferdes, der nunmehr mit Whispers Seele bestückt war. Jasmin hatte es nicht nur gespürt,

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