Whisper (German Edition)
Bilder geworfen zu haben. Erinnere dich. Sie malt nur dieses eine Pferd. Deswegen wirkten die Zeichnungen auch zu echt und lebendig.“
„Vielleicht erinnert sie das Pferd an irgendein anderes.“
Stefan hatte das eher belanglos gesagt, einfach um etwas zu sagen, denn es wollte noch nicht so recht in seinen Kopf rein, was er da eben gesehen hatte. Der Palomino hatte ihnen die Reitpferde gebracht. Daran lag kein Zweifel. Aber Pferde machten so etwas nicht. Pferde konnten nicht denken, zumindest nicht so weit, und sie könnten nicht überlegt handeln. Wieso … nein, darüber sollte man vielleicht nicht nachdenken. An dieser Stelle eine Erklärung zu suchen wäre mit viel Kopfschmerz verbunden.
„Whisper!“, hörte Stefan Kino sagen und wandte sich ihm nochmal zu.
„Wie?“
Kino sah ihn an.
„Whisper! Jasmin hat mir erzählt, dass sie ein Pferd namens „Whisper“ hatte. Eine Rappstute. Sie erzählte mir auch, dass man ihr nach dem Unfall die Stute weggenommen und diese getötet hat, weil sie eben schon alt war.“
„Nun, dieses Pferd war nicht gerade schwarz!“
„Nein, aber“, Kino sah zu den beiden Reitpferden zurück, „halt mich jetzt bitte nicht für verrückt, aber ich glaube, dass die Seele dieser Whisper in den Körper des Palominos geschlüpft ist, um Jasmin nah zu sein.“
Stefan zog die Stirn in Falten.
„Muss oder darf ich das glauben“, fragte er vorsichtig.
„Glaube es dann, wenn du dazu bereit bist. Ist sowieso nur so eine Vermutung. Also, wir haben zwei Pferde, wir haben unsere Messer wieder und wir kennen den Weg zur Ranch. Ich glaube, dort sollten wir jetzt Alarm schlagen.“
Stefan nickte ihm zu.
„Gute Idee. Auf geht’s!“
Mit leicht aufkommender Hektik kontrollierten sie das Sattelzeug und die Pferde auf Verletzungen. Nachdem es keine Auffälligkeiten gab, sprangen sie auf die Tiere und jagten sie so schnell es ging durch den Wald. Der Weg nach Six Soul war weit, aber sie waren derzeit die Einzigen, die wussten, in welchem Gebiet gesucht werden musste. Es war nötig, die Kids so schnell wie möglich zu finden, bevor ihnen noch mehr passierte, als schon passiert war. Und diese Sorge trieb die beiden jungen Männer zur Höchsteile an.
11
J udith hielt ganze drei Stunden auf dem Pferd durch. Von einer Minute auf die andere wurde ihr schwindlig und sie erbrach sich. Jasmin suchte schnell einen etwas geschützten Platz in der Nähe eines Wasserlaufs, wo die Jungs das geschwächte Mädchen vom Pferde holten. Mit einem Blechbecher, der immer an der Satteltasche Toms hing, mehr um das Ambiente der Wildnis zu demonstrieren, als der Notwendigkeit wegen, brachten sie dem Mädchen Wasser. Ihr Fuß hatte zwar aufgehört zu bluten, jedoch an Umfang zugenommen. Noch während man überlegte, wie man dem Mädchen helfen konnte, kam Edith auf die Idee, den Fuß in das kalter Wasser des Baches zu stecken, was auch sofort in die Tat umgesetzt wurde. Der Bachlauf war sauber, das Wasser rein und kalt. Man suchte einen Platz, wo Judith gut sitzen konnte, und legte ihr Bein in den kalten Bach. Zuerst schrie sie entsetzt auf, doch je länger das Bein in der Kühle blieb und von den Fließbewegungen umschmeichelt wurde, desto mehr linderte es den Schmerz. Nach einiger Zeit fand es das Mädchen sogar ganz angenehm und bekam etwas von der Farbe zurück, die sie kurzfristig verloren hatte. Sie brachte es sogar fertig, mit ihren Freunden zu scherzen und zu plaudern, was Jasmin als gutes Zeichen aufnahm.
Sie selbst hielt sich etwas abseits auf, löste den Gurt, ließ Toms Sattel einfach zu Boden rutschen und wusch über die feuchte Sattellage. Auch das Zaumzeug nahm sie ihm vom Kopf, sodass er etwas besser fressen und auch trinken konnte. Das Pferd hatte bisher großartige Leistung vollbracht. Ihn zu vergessen, wäre ihm gegenüber bestimmt nicht fair gewesen. Zudem liebte Jasmin den Kontakt zu ihm, ließ sich leicht in den Arm zwicken und von ihm herumstupsen. Dabei beobachtete sie immer wieder ihre nähere Umgebung. Sie nahm kleinste Geräusche wahr, entdeckte sogar einen Falken, der ganz in ihrer Nähe auf einen Baum flog, und überlegte immer wieder, ob es der richtige Weg war, den sie eingeschlagen hatten. Sicher war sie sich nicht und die anderen verließen sich auf sie. Auch wenn Kinos Großvater vielleicht einen Suchtrupp losgeschickt hatte, man würde sie nicht wirklich finden. Zumindest nicht so schnell. Die Wälder Kanadas waren nicht jene des bayerischen Wäldchens. Die Weite
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