Whisper (German Edition)
Christina nicht aufgehalten worden wäre.
„Jasmin!“ Dicht trat diese an das Mädchen heran, blickte zuerst zur Seite, suchte aber dann bewusst den leuchtenden Blick ihres Gegenübers. „Es … es tut mir leid. Wir waren nicht nett zu dir, weil wir dich anhand deines Gesichtes falsch eingeschätzt haben. Ich glaube aber, dass du ganz okay bist. Wir sollten Frieden schließen und uns nicht mehr anfeinden. Was meinst du?“
Jasmins Gedanken glitten zu Patrick. Auch er war zu ihr gekommen und hatte sich entschuldigt. Ihm war es sehr, sehr schwer gefallen, die richtigen Worte an sie zu richten. Christina fiel es etwas leichter, aber trotzdem konnte sie die Aufrichtigkeit in ihren Augen sehen.
„In Ordnung“. Jasmin schenkte ihr ein freundliches Lächeln und streckte ihr die Hand entgegen. “Wenn dir nach Schimpfen ist, dann schimpf mit dem Unwetter, okay?“ Christina nahm dankbar die Hand entgegen und drückte ebenso wenig fest zu, wie es Patrick getan hatte. Jasmins Zustand war für niemanden mehr ein Geheimnis, aber langsam begann man zu begreifen, zu akzeptieren und zu respektieren.
„Geht klar. Komm jetzt!“
Sie nahmen noch einen Armvoll Feuerholz mit, verschlossen den Schuppen sorgfältig und hüpften zur Hütte, rissen die Tür auf und waren schnell darin verschwunden. Der Sturm hatte mit voller Stärke begonnen und das Wasser kam vom Himmel, als hätte jemand die Schleusen eröffnet. Doch in der Hütte war man sicher und konnte tief durchatmen. Es war zwar noch nicht warm, aber zumindest trocken. Vielleicht wurde den Kids erst jetzt richtig bewusst, wie wertvoll ein Dach über dem Kopf sein konnte.
Patrick hatte einige verstaubte Öllampen und ein Feuerzeug gefunden. Vermutlich war das Öl schon alt, aber als er den Docht anzündete, brannte es. Mit Hilfe dieses Lichts beäugte man den Ofen und war in der Lage, ihn nach einiger Zeit auch anzuzünden. Trockenes Anzündholz lag direkt daneben und wieder war es ein Shirt, welches diesmal an Anzündhilfe herzuhalten hatte. Schon bald knisterte darin ein herrliches Feuer. Es dauerte auch gar nicht lange und Wärme breitete sich in der Hütte aus. Sie war spärlich und spartanisch eingerichtet. Es gab eine alte Couch, ein Bett mit einer alten, staubigen Matratze, einige Decken, von denen die Unteren besser aussahen, als die Oberen, sogar zwei Polster, einen dicken Teppich, dessen Alter man nicht mehr erraten konnte, und zwei wollige Tierfelle, die man über die beiden Sessel gehängt hatte. Judith wurde auf das Bett gelegt, das Bein mit den Polstern gestützt und sie selbst zugedeckt. Das Mädchen fror erbärmlich, weswegen man sie mit allem einpackte, was man fand. Übrig blieben die beiden Felle, die man auf den Teppich legte und sich darauf versammelte. Abwechselnd sah man zu Judith hinüber. Sie hatte die Augen geschlossen und man war sich einig, dass die Schmerzen wieder eingesetzt haben mussten.
Draußen begann der Sturm richtig zu toben. Die Hütte knarrte laut, wenn sie von einem Windstoß erfasst wurde, sodass die Kids den Atem anhielten. Aber es war klar, dass das urige Gebäude schon länger hier stehen musste und vermutlich schon schlimmere Stürme überlebt hatte. Der Regen knallte gegen die Außenmauern und aufs Dach, doch im Inneren blieb alles trocken. Nirgends war auch nur eine undichte Stelle zu erkennen.
„Ich möchte jetzt nicht da draußen sein“, bemerkte Edith und hielt sich die Ohren zu, als wieder ein mörderischer Donner die Welt erzittern ließ. „Muss ja widerlich sein.“ Um sie zu beruhigen, legte Markus seinen Arm um sie. Das Mädchen ließ sich auch gar nicht lange bitten, sondern rückte an ihn heran, sodass er sie an sich ziehen konnte. Eng kuschelte sie sich an ihn, während er ihr einen zarten Kuss gegen die Schläfe hauchte. Es war kein Geheimnis mehr, dass sich Edith und Markus näher gekommen waren. Die hin und her springenden süßen Funken der Verliebtheit waren nahezu sichtbar und es tat allen gut, diese Vertrautheit zu beobachten und zu erleben. Patrick entzog sich diesem Bild und wandte sich ab. Man konnte ihm ansehen, dass er in Sachen Zwischenmenschlichkeit seine Probleme hatte. Der Wahn, nur noch vor dem PC zu sitzen und das Internet zu durchforsten, Programme zu stören oder sich in Datenbanken zu hacken, hatte ihn isoliert und gegenüber seinem Umfeld gefühlskalt und scheu werden lassen. Jetzt entdeckte er, wie wichtig Zusammenhalt und Freundschaft war, was Vertrauen bedeutete, während ihm das
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