Whisper (German Edition)
um ihr Jungen zu schützen und um zu überleben. Menschen töteten, um an die Gallenblase des Bären zu kommen, um den Kopf zu erbeuten und präparieren zu lassen, das Fell zu gerben und irgendwo an die Wand zu hängen, und um aus den Krallen kleine Schmuckstücke zu machen, die man sich dann um den Hals binden konnte. Jasmin schüttelte sich. Eine Gänsehaut jagte über ihren Rücken. Diese Gedanken bedrückten sie. Es war zermürbend einer so grausamen Spezies anzugehören, und sie schwor sich, bei allem was sie tat, hinzuhören, und jedem umgeschnittenen Baum, wie auch jeder Bratwurst, die auf ihrem Teller landete, mit etwas mehr Achtung zu begegnen. Sie war es der Welt, in der sie lebte, und die auch sie nutzte, einfach schuldig.
Patrick warf die Ofentür unabsichtlich heftiger zu, wodurch Jasmin aus ihren Gedanken geholt wurde. Sie schenkte dem Inneren der Hütte kurze Zuwendung. Wer hatte diese Hütte erbaut, wer wohnte hier, oder hatte sie schon mal als Rettung in der Not gedient? Als Notunterkunft oder als kurzfristiges Lager war die Hütte ohne Weiteres zu gebrauchen. Man hatte es trocken und warm und konnte sich je nach Bedarf auch eine Kleinigkeit kochen, denn über dem Ofen hingen zwei Töpfe und eine Pfanne, die genau diesen Zwecken dienen sollten.
„Was ist, Jasmin. Kommst du auch zu uns?“
Das Mädchen ertappte sich dabei, ständig irgendwie abwesend zu sein. Entweder sie versank in Gedanken, starrte das Innenleben der Hütte an oder war sonst geistig in weiter Ferne. Eine gewisse innere Unruhe glitt unentwegt durch ihren Körper und sorgte dafür, dass sie sich leicht aufgewühlt fühlte, und es nicht schaffte, sich einfach zu den anderen zu setzen und zu hoffen, dass der Sturm nachließ. Sie zuckte heftig zusammen, als ein weiterer Donner durch die Dunkelheit krachte und die Mauern der Hütte erschütterte.
„Wow, der Weltuntergang naht“, hörte sie Markus sagen, der Edith ein Stück fester an sich drückte. „Bin ich froh, dass wir nicht da draußen sind.“
„Würde gern wissen, wo Kinsky und die anderen sind. Ich meine, die kennen die Hütte vermutlich auch. Ob die jetzt in dem Unwetter sind?“ Christina zog das Fell etwas dichter um ihren Körper. Die Vorstellung ließ sie frösteln.
„Ach, mach dir um die keine Sorgen“, meinte Patrick. „Die sind hier zuhause und kennen sich aus. Wir sind eigentlich die, die man hier ausgesetzt hat, und die keinen blassen Dunst einer Ahnung davon haben, was zu tun ist … Jasmin“, Patrick stutzte für einen Moment. „He, Jasmin, was hast du vor?“
Das Mädchen fühlte sich rastlos. Immer wieder war ihr Blick zur Tür gewandert, auch als der Donner längst verklungen war. Sie musste hier raus. Ob es die Enge war, der sie nichts entgegensetzen konnte, oder ob das flaue Licht ihren Gemütszustand durcheinander brachte, sie wusste es nicht. Jedenfalls hatte sie das dringende Gefühl, den Raum zu verlassen.
„Ich sehe kurz nach Tom“, antwortete sie auf Patricks Frage und riss die Tür auf, sodass der Sturm die Möglichkeit hatte, einmal durch das Innere der Hütte zu fegen, bevor die Tür hinter ihr wieder zufiel.
„Die spinnt!“, bemerkte Markus genervt, sah aber erstaunt auf, als sich Patrick ebenfalls hochwuchtete und mit ein paar Schritten bei der Tür war.
„Was? Willst du jetzt auch noch da raus?“
Markus war geneigt, Edith zur Seite zu schieben, aufzuspringen und Patrick an seinem Vorhaben zu hindern, wurde aber vom nächsten Satz aufgehalten.
„Sie ist derzeit unsere einzige Möglichkeit hier rauszukommen. Und diese Möglichkeit werde ich wie meinen Augapfel bewachen. Habt ihr es immer noch nicht gemerkt? Sie hat ein Gespür für gewisse Dinge. Wenn sie da rausgeht, hat das einen Grund. Den will ich wissen!“
„Warte!“ Markus war aufgestanden und griff nach seiner Jacke, die er irgendwann ausgezogen hatte, da sie ihm zu warm geworden war, und warf sie Patrick zu. „Hier! Dann wirst du nicht ganz so nass.“
Der Bursch fing sie auf, zog sie über und verschloss den Reisverschluss bis zum Hals. Vorsichtig reckte er sich, wobei der Stoff über seinen Schultern spannte. „Besser zu eng als gar nichts. Bis gleich.“
Auch er öffnete die Tür und noch einmal hatte der Sturm die Möglichkeit den Kids Hallo zu sagen. Krachend fiel die Tür wieder zu und es wurde wieder ruhig. Markus sah nach dem Ofen und warf noch einen Holzscheit nach. Christina beobachtete ihn aus ihrer eingeigelten Position aus, die sie um keinen Preis
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