Whisper (German Edition)
ritt unbeirrt weiter, sah nichts, und trotzdem schien sie genau zu wissen, wohin sie zu gehen hatte.
Irgendwann, zwischen prasselndem Regen und unaufhörlichen Windböen, die sich rauschend in den Bäumen verfingen, glaubte er das Krächzen eines Vogels zu vernehmen. Als er kurz aufblicken wollte, hörte er Tom leise wiehern, und … abrupt hielt Jasmin an und lauschte. Auch Patrick hatte es gehört. Ein Pferd. Das Wiehern eines Pferdes. Tom hatte Antwort erhalten. Irgendwo dort in der Dunkelheit, zwischen Regen, Wind und peitschenden Ästen musste ein Pferd stehen.
„Da ist jemand“, rief Patrick von hinten, während sie sanft nickte, vorsichtig abstieg und sich zu Fuß vorwärts tastete. Tom stapfte tapfer hinter ihr her. Es war ekelhaft nass, rutschig, schmutzig und der Dreck blieb an Schuhen und Hufen kleben. Jeder Schritt war ein Martyrium, aber dort, der nächste Blitz zeigte ihnen den Weg, stand ein Pferd mit hängendem Kopf, den Hintern in den Wind gedreht. Es wieherte ein zweites Mal und Tom antwortete ihm aufgeregt. Jasmin arbeitete sich mühsam bis zu dem Tier vor, dessen Zügel sich im Geäst verfangen … nein, jemand hatte es hier angebunden. Nervös und beunruhigt berührte Jasmin das Tier, welches vor Kälte schlotterte. Der Sattel hatte sich vollgesogen und hing wie ein nasser Waschlappen auf seinem Rücken.
„Ist hier jemand“, rief Patrick und lauschte angestrengt in den Regen.
„Hallo!“, brüllte auch Jasmin so laut sie nur konnte, und ärgerte sich gleichzeitig über den Donner, der genau jetzt wieder die Erde wackeln ließ. Doch die Antwort entging ihr trotzdem nicht. Fein, aber doch.
„Hallo!“, rief sie erneut. Verdammt, sie war sich sicher, sie hatte da etwas oder jemanden gehört. Wenn sie doch nur eine Taschenlampe gehabt hätte, aber … Moment. Jasmin hielt inne und wandte sich wieder dem frierenden Pferd zu. Vorsichtig wanderten ihre Hände über das nasse Tier, suchten beim Sattel und fanden die hinteren Packtaschen. Sie konnte das Pferd zwar nicht genau erkennen, aber sie vermutete, dass es eines der Tiere von der Ranch war, mit denen Kinsky und die Gruppe das Vieh holen wollten. Und in den Packtaschen würde sich vielleicht eine Taschenlampe befinden. Mit kalten Fingern öffnete Jasmin den Verschluss und griff in das Innere. Es fühlte sich zwar alles feucht an, aber das Wasser hatte bis jetzt noch nicht in die Tasche gefunden. Sie fand einige für jetzt unwichtige Dinge, einen leichten Regenschutz, der sich wohl verpackt im Augenblick besonders gut machte und … ihre Finger umfassten einen harten Gegenstand. Sie hatte zwar nicht mehr viel Gefühl darin, aber als sie den Griff umschloss, konnte sie den Ein – und Ausschaltknopf spüren. Jasmin jubelte innerlich, als sie das Ding an sich nahm, auf den Schalter drückte und beobachten konnte, wie sich der Lichtstrahl durch die Dunkelheit fraß. Es ging doch nichts über LED Technik.
„Licht!“, grölte Patrick. „Mann, hätte nicht gedacht, dass ich mich mal über eine bescheuerte Taschenlampe freuen würde. Wahnsinn!“
„Hallo!“, rief Jasmin erneut, ohne weiter auf ihren Begleiter zu achten, und richtete diesmal den Strahl nach vorne. Vor ihr lag ein umgestürzter Baum. Die Äste ragten in alle Himmelrichtungen und machten ein Durchkommen unmöglich. Im Normalfall hätte Jasmin so einen Baum umritten und ihm keine weitere Beachtung geschenkt. Doch jetzt sah sie etwas genauer hin.
„Hier bin ich!“
Jasmin verhielt und blickte angestrengt in den Wald. Eine leise, fast wispernde Stimme war an ihr Ohr gedrungen und die Worte hatte sie nur mit viel Fantasie verstanden. Der Regen verschluckte fast jedes Geräusch, und das ständige Brummeln im Himmel … Himmel, Arsch und Nonnenkinder, konnte nicht der Sturm mal für einen kurzen Moment Pause machen?
„Da ist jemand“, bemerkte sie leise und begann an den ersten Ästen vorbeizuklettern. „Bleib bei den Pferden, Patrick. Ich komme gleich.“
Schon war sie weg. Oh, wie er das hasste. Jetzt hatte er sie bis hierher begleitet, um sie schützen und bewachen zu können, und war genau in diesem Augenblick dazu verdammt, zurückzubleiben. Verflucht, er hasste es nicht nur, er fand das ätzend und es machte ihn zornig. Der Regen trommelte von allen Seiten auf ihn nieder, die Sicht war schwach bis gar nicht vorhanden und das Ambiente, … sprichwörtlich zum Kotzen. Was solls. Er musste wohl oder übel bei den Pferden ausharren und warten … warten … warten, und
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