Whisper (German Edition)
den glasigen Blick, der sie dazu verleitete, Christina und Markus sofort anzusehen, die auch ohne Worte verstanden.
„Alles in Ordnung“, erklärte sie beruhigend, „draußen tobt nur ein fürchterlicher Sturm und wir haben eine Hütte gefunden, wo wir das Gewitter abwarten. Dann reiten wir weiter. Markus ist die Tür aus der Hand geflogen, als er Holz geholt hat.“ Wieder sahen sie sich an. „Schlaf weiter. Ruh dich aus. Es wird noch anstrengend werden.“
„Ich … fühle mich so müde“, kam es leise herüber, während Christina die Decken an Judiths Körper zurechtstopfte.
„Das macht nichts. Schlaf ruhig. Wir wecken dich nicht.“
Sie beobachteten, wie Judith die Augen wieder schloss und den Kopf zur Seite drehte. Markus winkte den Mädchen, sie allein zu lassen. Mit sorgenvollem Gesicht versammelten sie sich wieder vor dem Ofen.
„Sie hat Fieber bekommen“, bemerkte Edith leise und erkannte Markus Nicken.
„Die Wunde wird sich entzündet haben“, bemerkte dieser. „Wir werden beten und hoffen müssen, dass der Sturm bald um ist, und wir weiter können, sofern sie überhaupt noch weiter kann.“
Betroffen sahen sie sich gegenseitig an.
„Ich habe Angst“, gestand Christina und warf nochmals einen Blick zu dem Bett.
„Ich auch“, entgegnete Edith. Markus legte beiden den Arm um die Schultern und zog eine an seine rechte, die andere an seine linke Seite.
„Ich auch“, meinte er zaghaft, „aber wir werden trotzdem warten. Egal was passiert.“
„Was ist, wenn die beiden nicht wiederkommen?“
Markus küsste Edith leicht auf die Schläfe.
„Sie werden wiederkommen. Ich weiß es. Morgen um diese Zeit sitzen wir wieder auf der Ranch und werden Kinsky auf die Nerven gehen.“
„Ich nicht mehr!“ Christina hatte sich wieder ihr Fell geschnappt. „Ich war mir bisher immer sicher, alles tun zu können und fast alles zu wissen. Ich dachte immer, niemanden zu brauchen. Jetzt habe ich eine Scheißangst um Judith und um uns. Ich weiß nicht alles, finde noch nicht mal den Weg nach Hause und würde jetzt alles dafür tun, wenn meine Eltern da durch die Tür schneien würden. Den Rest unseres Aufenthaltes werde ich Kinsky helfen, so gut ich kann und hoffen, nicht mehr allein zu sein.“
„Ich auch!“, gab auch Edith zu verstehen. Markus verzichtete auf einen Kommentar, sondern verstärkte den Griff um die Schultern der beiden Mädels. Es hatte Zeiten gegeben, da war er sich cool und unbesiegbar vorgekommen, doch jetzt wurde ihm gezeigt, wie klein er eigentlich wirklich war.
14
J asmin, Patrick und Tom waren schon nach den ersten Metern klatschnass. Der Regen peitschte ihnen ins Gesicht und der Sturm sorgte dafür, dass das Wasser in jede Ritze ihrer Kleidung kroch. Es war mächtig kalt geworden und dieses Gemisch von Nässe und Kälte machte es in keinem Fall leicht. Jasmin spürte schon bald ihre Finger trotz Handschuhe nicht mehr, weswegen sie ihre Hände in die Ärmel ihrer Jacke zurückzog, was aber nur wenig half. Patrick hielt sie von hinten einigermaßen warm, da er mit seinem Körper an dem ihren lehnte, was aber ihren Beinen relativ wenig half. Füße und Zehen wurden recht bald gefühllos und taub. Der Sturm riss nicht nur an der Kleidung, sondern trieb ihnen auch die Äste ins Gesicht. Tom hatte alle Mühe einen halbwegs sicheren Weg zu finden. Seine Hufe rutschten über den aufgeweichten Boden. Er stolperte, schlitterte und wäre einmal fast gefallen, fing sich aber noch rechtzeitig ab.
Wie ein Gespenst glitten sie durch den Wald. Jeder Blitz ließ ihn hell erleuchten und dann wieder in ein tiefes, dunkles Loch fallen. Patrick hatte keine Ahnung, woran sich Jasmin orientierte, geschweige denn, wo sie hin wollte und irgendwann war es ihm egal. Er fror, er war nass und er betete, sie mögen die Hütte wiederfinden, die sie verrückterweise verlassen hatten. Als er Jasmin nachgegangen war, hatte er gesehen, wie sie sich auf Toms nackten Rücken gesetzt hatte. Das Pferd war gezäumt gewesen und sie wäre, ohne ein Wort zu sagen, einfach davongeritten. Energisch hatte er sie aufgehalten, doch genauso entschlossen hatte sich Jasmin gewehrt. Sie wollte unbedingt in den Wald, warum auch immer, denn einen Grund konnte sie ihm nicht nennen. Jasmin wäre fähig gewesen, ihn einfach über den Haufen zu reiten, weswegen er ihrem Wunsch nachgegeben hatte. Patrick hatte Tom gesattelt und darauf bestanden, mitkommen zu dürfen. Mittlerweile bereute er den Entschluss. Aber Jasmin
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