Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Whisper (German Edition)

Whisper (German Edition)

Titel: Whisper (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandy Kien
Vom Netzwerk:
an die Wand zu ziehen. Sie waren schwerer als sonst, vollgesoffen mit Wasser. Irgendwann würden sie schon wieder trocknen. Es waren doch nur Sättel. Einen Westernsattel sollte das nicht wirklich umbringen. Die alten Decken nutzte sie, um die Pferde zuzudecken. Die beiden Pferde aus dem Wald hatten endlich aufgehört zu zittern. Im Großen und Ganzen, von ein paar Kratzern abgesehen, schienen sie unverletzt. Jasmin fragte sich, ob Stefan und Kino ebenfalls auf dem Weg zur Hütte gewesen waren, als sie das Auftauchen des Unwetters bemerkt hatten. Möglich, dass der Wind den Baum geknickt hatte. Es hätte nicht viel gefehlt und Kino würde nicht mehr leben. Jasmin strich sanft über Toms Rücken, der zufrieden an dem Heu kaute, welches sie ihm gegeben hatte. Sie hatte es gespürt, ganz deutlich hatte sie es gespürt. Es war keine Platzangst, kein Hüttenkoller oder Ähnliches gewesen, der sie aus der Hütte raus getrieben hatte. Die innere Unruhe hatte sie hinausgetrieben zu Tom, zu dem Rappwallach, einem Wesen, dem sie blind vertraute. Auch er hatte keine Ruhe gefunden, hatte den Boden des Verschlags mit dem Vorderhuf aufgewühlt und ihr leise entgegengewiehert, als sie zu ihm gegangen war. Es bedurfte nur eines Blickes um zu wissen, dass er sie wieder führen würde. Sein Instinkt würde ihn wieder leiten, auch bei dem Wetter, und es hatte nur einer kurzen Überlegung bedurft, das Pferd zu zäumen. Sie war drauf und dran gewesen, auf dem nackten Pferderücken hinauszureiten, wenn Patrick sie nicht gebremst hätte. Erregt hatte er sie zu überreden versucht, wieder in die Hütte zurückzugehen. Doch gegen ihre Unruhe und den Drang hinauszureiten, hatte er keine Chance. Schließlich hatte er ihr geholfen, Tom zu satteln und beschlossen, sie zu begleiten. Zuerst war Jasmin von dieser Idee nicht wirklich begeistert gewesen, doch dann hatte sie ihm nachgegeben. Egal wohin Tom sie bringen würde, vielleicht konnte sie zwei kräftige Hände brauchen. Hände, die zupacken konnte.
    Jasmin blickte etwas zögernd auf ihre Arme. Sie hatte die Ärmel hochgeschoben, um leichter mit den Pferden arbeiten zu können, allerdings legte es frei, was sie jeden Tag und immerzu verfolgte. Die Narben des „Unfalles“! Das Mädchen seufzte auf. Der Unfall. Immerzu war es als Unfall betitelt worden, nie hatte man es anders benannt. Immer nur Unfall. Ärzte, Therapeuten, Schwestern, auch ihre Eltern sprachen immer nur von einem Unfall. Man hatte sie gelehrt, es als Unfall zu sehen und hatten es geschafft, dass sie beinahe selbst schon dran geglaubt hatte. Einen Unfall. War es ein Unfall gewesen? Konnte man es als Unfall bezeichnen? Ein böser Duft wehte ihr um die Nase, der kurzfristig dafür sorgte, dass ihr jegliches Blut aus dem Gesicht wich, und ein Kribbeln über ich ihren Körper jagte. Sie fühlte Angst, Panik, hörte Schreie, laute, entsetzte Schreie, eine dunkle Stimme, dieser Geruch … Jasmin schüttelte angewidert den Kopf und atmete durch. Nein, es war nur der Duft Toms, der durch ihre Nase drang. Der vertraute Geruch eines nassen Pferdes, das angenehme Geräusch von mahlenden Zähnen. Ein Unfall … Der Gedanke verblasste. Es war nicht gut darüber nachzudenken, nicht gut, es sich vorzustellen. Es schlummerten schreckliche Bilder in ihrem Kopf und die wollte sie auf keinen Fall sehen. Sie hatte sie verdrängt, weit weggestellt und war nicht gewillt, sie hervorzuholen. Zumindest jetzt nicht. Es war ja nur ein Unfall gewesen.
    Jasmin strich noch einmal über Toms Nase und fuhr über seinen Hals.
    „Danke“, flüsterte sie und blickte in sein Auge. Es war sein Blick. Sein ganz spezieller Blick, den nur er hatte. Aber er glich dem Blick Whispers so sehr, war dem ihren so ähnlich. Tom war Tom, nicht Whisper, aber irgendwas an ihm war wie sie. Vielleicht seine Farbe, vielleicht sein ruhiges Gemüt oder die Art, wie er sie anstupste, oder auch nur der Blick, der sich so sehr tief in ihr Herz fraß und dort verblieb. Tom war nicht nur ein Pferd für sie, nicht irgendein Gaul, den man ihr zur Verfügung gestellt hatte. Sie begann Tom zu mögen, zu lieben, vertraute ihm und spürte, dass auch Tom viel für sie empfand. Tom war etwas Besonderes, ein Pferd, bestückt mit einer besonderen Seele. Und er verband sich mit ihr. Nur über seinen Blick, mit dem er es schaffte, tief in ihr Inneres zu schauen und ihr dort das zu vermitteln, was sie seit Whispers Tod so sehr vermisst hatte. Das Gefühl der tiefen Freundschaft und der endlosen

Weitere Kostenlose Bücher