Whisper (German Edition)
fehlt nichts.“ Ihre Augen leuchteten. Jasmin hatte sich in gewisser Weise verändert. Ihm war Edith aufgefallen, auch wie Jasmin zu ihr gegangen war, hatte selbst eigentlich vorgehabt, einzugreifen, gewisse Dinge in die richtigen Bahnen zu lenken, war aber von Kino zurückgehalten worden. Dieser hatte ihm gedeutet, nur zuzusehen und anhand der Körpersprache zu lesen. Zuerst hatte er nicht ganz verstanden, doch dann hatte er erkannt. Edith holte sich bei Jasmin Mut und diese hatte es zugelassen. Das Blatt hatte sich um hundertachtzig Grad gewendet. Hatte man sie auch erst verstoßen, so brauchten sie Jasmin jetzt, um durchzuhalten. Die, die nicht dazugehörte, die man abgestempelt hatte, die, die nicht redete, und die sich seltsam verhielt. Es war genau sie, die jetzt allen erklärte, wie man nicht aufgab, sondern kämpfte. Stefan beobachtete, wie Jasmins Blick an ihm vorbei glitt. Nur Augenblicke später senkte sie den Kopf, als ob sie sich schämen würde. Egal wie man es sah, egal wie groß die Leistung war, die Jasmin bisher schon vollbracht hatte, sie selbst fühlte sich ganz sicher nicht als Held, dessen war er sich sicher.
„Geh schon zu ihm.“ Stefan deutete mit dem Kopf zu Kino. „Er redet nur noch von dir. Wenn jemand heute Nacht bei ihm sein darf, dann du. Und ehrlich, wärst du nicht auf einmal aus heiterem Himmel erschienen. Hmmm, ich will gar nicht darüber nachdenken.“ Er zuckte mit den Schultern und Jasmin erwartete keine weitere Erklärung, sondern zog das Fell fester um sich, überließ Judith Stefan und war mit wenigen Schritten bei der alten Couch. Kino hatte sein verletztes Bein angewinkelt und massierte es heftig. Es war leicht blaurot verfärbt, doch sichtbare Verletzungen waren nicht zu erkennen.
„Tut es sehr weh?“, fragte Jasmin vorsichtig, wodurch Kino sich genötigt sah, mit seiner Massage aufzuhören. Ohne Vorwarnung streckte er ihr die Hand entgegen und sah sie dabei aus seinen dunklen Augen an. Jasmin zögerte etwas, nahm die Hand aber dann doch entgegen und ließ sich von ihm auf die Couch ziehen. Kino holte sie sanft aber bestimmt zu sich und legte einen Arm um sie. Er spürte sofort, wie etwas von dem Druck abfiel, der sie die gesamte Zeit begleitet haben musste. Sein Gefühl hatte ihn nicht belogen. Sie war in der Nacht abgehauen und er wagte zu wetten, dass seine Theorie mit Tom gar nicht so verkehrt gewesen war. Jasmin folgte Gefühlen und inneren Eingebungen. Ihr Gespür war unsagbar fein, und diese Fähigkeit hatte ihm vermutlich das Leben gerettet. Dieses Mädchen war für ihn so unglaublich, wie rätselhaft, und er war den großen Mächten dankbar, dass sie ihm in die Hände gefallen war, und an der er sein Herz verloren hatte.
Stefan und Patrick setzten sich mit den anderen Kids zusammen und versuchten eine Unterhaltung aufrechtzuerhalten. Eine Zeitlang hörte man zartes Gemurmel, hin und wieder war ein Wort zu verstehen, dann und wann war ein Kichern zu vernehmen.
Jasmin hatte sich an Kino gekuschelt, ließ sich von ihm streicheln und war nach einiger Zeit eingeschlafen. Kino glitt ihr immer wieder sanft über den Haaransatz, spielte mit einzelnen Haarsträhnen. Viele Gedanken zogen durch seinen Kopf, aber es gab keinen, indem Jasmin nicht beinhaltet war. Sie war für ihn so außergewöhnlich, wie das Land, in dem er wohnte. Mittlerweile war sie ein Teil davon, ein Teil des Waldes, ein Teil der harschen Wildnis. Und sie war ein ganz besonderer Teil von Whispers Seele. Er war sich sicher, dass es nicht viele Lebewesen gab, die selbst über den Tod hinaus so eng miteinander verbunden blieben. Und diese Bindung half gerade jedem in diesem Raum, mit der Situation klarzukommen. Judith, Edith, Christina, die Jungs, aber auch Stefan und er selbst. Der Weg wäre ein anderer gewesen, wenn Jasmin nicht an das glauben würde, was andere für Spinnerei abtaten.
„Aber wie ist es möglich, dass sie uns im Wald gefunden hat. Ich meine, Tom ist ein tolles Pferd, aber eben nur ein Pferd.“
Kino horchte auf. Irgendeines der Mädchen hatte diese Frage gestellt, etwas lauter als sonst, weswegen er annahm, dass aus einer banalen Unterhaltung eine leicht angeregte Diskussion geworden war. Automatisch lenkte er seine Aufmerksamkeit auf das Gespräch, rückte sich ein wenig zurecht, sodass Jasmin tiefer in seinen Arm sank, und bedankte sich bei Petrus, Herkules, Hera und Poseidon, dass sein Bein sich über diese Bewegung beschwerte.
„Und dabei ist das nicht das Einzige, was
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