Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Whisper (German Edition)

Whisper (German Edition)

Titel: Whisper (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandy Kien
Vom Netzwerk:
gab ihr Mut und Kraft, das durchzustehen, was unmittelbar vor ihr lag. Schnell löste sich Jasmin von Kinos Hand und flog dem alten Mann um den Hals, der sie mit sicherem Griff auffing. Sanft glitten seine alten Hände über ihren Rücken und schenkten ihr beruhigende Vertrautheit.
    „Danke für alles“, flüsterte sie leise und war im Augenblick darüber froh, dass es Menschen wie ihn gab, die genau wussten, wann sie was zu sagen hatten, und die in der Lage waren, ihre Lebensweisheit so zu vermitteln, wie er es getan hatte und auch weiterhin tun würde. David Singing Bird war für sie nicht nur ein väterlicher Freund, er war für sie ein Phänomen, etwas, was man nur einmal im Leben traf.
     

21
     
    A ls Jasmin vom Waldrand über das Ranchgelände blickte, überkam sie ein eigenes Gefühl. Es dämmerte bereits und in gut einer halben Stunden würde es stockdunkel sein. Einige Pferde tummelten sich auf den Koppeln und im hinteren Bereich der großen Wiese stand die Rinderherde, die sie am Vormittag zusammengetrieben und geteilt hatten. Nichts bewegte sich auf dem Hof. Er lag ruhig in der Atmosphäre des Abends mitten in der Wildnis und nichts deutete darauf hin, was sich erst vor Kurzem unter dem Dach des Hauptgebäudes abgespielt hatte. Jasmin blickt kurz nach links. Dort lag der Reitplatz, angegrenzt an eine Wiese, auf der sich im vorderen Bereich eine Baumgruppe befand. Jene Wiese, auf der sie zum ersten Mal auf Toms Rücken gestiegen war. Die Kids waren im Viereck stehengeblieben und hatten zu ihr herüber geschaut. Kino waren fast die Augen aus dem Kopf gefallen. Sie konnte reiten, gar nicht mal schlecht, und an diesem Tag hatte sie es bewiesen. Niemand hatte vorher daran geglaubt, nachdem sie vorher erst gute acht Stunden neben einem Pferd durch die Wildnis marschiert war. Ihr Start auf Six Soul war schon seltsam gewesen. Ein Fußmarsch, ein Wapitikitz, kaputt gelaufene Füße, es hatte sich wirklich einiges getan. Und jetzt fragte sie sich, ob sie das Viereck jemals wiedersehen würde, ob sie jemals wieder mit Judith oder Christina streiten konnte, oder vor Wut ihrer nicht vorhandenen Kraft einem Westernsattel einen Tritt geben würde. Es war ihr damals so sehr nahe gegangen. Nie hätte sie gedacht, dass sie sich mal so sehr an diese Situationen erinnern würde.
    Tom schnaubte kurz aber heftig, wodurch Jasmin wieder in die Wirklichkeit befördert wurde. Sie hatte nicht gemerkt, dass sie stehengeblieben war. Kino und sein Großvater hatten ihr Zeit gelassen, sie beobachtet, und setzten sich jetzt wieder mit ihr in Bewegung. Jeder von ihnen wusste, dass in der nächsten Stunde eine Entscheidung fallen würde, aber welche? Kino wollte sie um keinen Preis der Welt aufgeben und Jasmin wusste, dass sie in München wieder in diese starre Maschinerie hineingezogen werden würde. München war kein Leben für sie. Aber die Devots waren nunmal ihre Pflegeeltern. Sie hatten das Sorgerecht für sie übernommen. Erst mit Achtzehn konnte sie über ihr eigenes Leben frei verfügen. Das war eine ewig lange Zeit. Eine Zeit, in der sich ihr Leben abermals verändern konnte. In guter, wie auch in schlechter Sicht.
    Als sie an den Koppelzäunen entlangritten, entfuhr dem Mädchen ein zarter Seufzer. Noch einmal blickte sie nach hinten, tauchte ab in die Wälder, hörte einmal mehr die Raben, den Gesang der Vögel, das Rauschen der Äste, das entfernte Brüllen des Berglöwen und das seltene Heulen der Wölfe. Ihr war klar, dass sie das alles schwer vermissen würde. Tom schüttelte unwillig den Kopf und sie berührte ihn sanft am Hals. Tom. Auch er war etwas, was sie zurücklassen würde. Er hatte sie über viele Kilometer getragen, ihr Abenteuer mit ihr durchgestanden und war immer an ihrer Seite gewesen. Tom war ehrlich, treu und ergeben. Er gehörte hierher, wie die Singing Birds, wie Six Soul, und wie der laue Wind, der über die Täler strich. Jasmin schloss kurz die Augen und schaltete ab. Wenn sie nicht aufhörte, sich trübsinnige Gedanken zu machen, würde sie über kurz oder lang wieder in Tränen ausbrechen und beileibe, sie hatte genug geheult.
    Als sie den Schotterweg betraten, hallte der Hufschlag der Pferde seltsam nach. In beiden Gästehäusern brannte Licht. Im Haupthaus sowieso und auch im Hof hatte man sämtliche Lampen eingeschaltet. Jasmin konnte sich denken, dass man auf sie wartete, schließlich war sie Hals über Kopf geflohen.
    Kinos Großvater reihte sich vorne ein, als der Weg enger wurde, Kino war

Weitere Kostenlose Bücher