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Whisper (German Edition)

Whisper (German Edition)

Titel: Whisper (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandy Kien
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ihr helfen zu müssen. Immer wieder suchte er ihren Blick, ihr Antlitz. Was ging in ihr vor? Was ging in seinem Großvater vor? Der Wille ist euer. Was hatte die Stute damit gemeint? Und wieso sprach das Tier davon, bald gehen zu müssen. Sie war doch so schon nicht wirklich real. Oh ja, sie war ein Körper, aber eine fremde Seele wohnte darin. Eine Seele, die geschworen hatte, noch nicht zu ruhen, sondern ihrer großen Liebe beizustehen.
    Der Aufstieg dauerte nicht wirklich lang und der Blick über das weite Tal war diesmal genauso atemberaubend wie beim ersten Mal. Sekundenlang blieben die drei davor stehen, ließen den Blick über das gleiten, was die Natur ihnen bot. Ein Meer an Wald und Tannenwipfeln, unterbrochen von kleinen bis größeren Wiesenhängen, durchzogen von größeren Felsbrocken, die vom Berg „gebaut“ worden waren. Die untergehende Sonne ließ im wirren Farbenspiel ihre letzten Strahlen über das Land gleiten. Ein Anblick, wie aus einem Bilderbuch.
    Als sich Kinos Großvater einfach in das Gras niederließ, taten die beiden jungen Leute es ihm nach. Kino hielt Jasmin im Arm, war froh darüber, dass sie sich etwas beruhigt hatte. Sie sah schlimm aus. Ihre Augen waren rot und die Narben schienen heute eine andere Farbe als sonst zu haben. Es war, als würden sie heute noch deutlicher hervorstechen als sonst. Dinge, die ihm auffielen, obwohl er sich an deren Anblick längst gewöhnt hatte.
    „Jasmins Eltern sind gekommen, um sie zu holen!“ Nein, es war keine Frage, sondern eine Feststellung. Die Stimme seines Großvaters war dunkel, seine schon ergrauten Haare umrahmten seinen Kopf, kleine silberne Ohrringe tanzten an seinen Ohrläppchen, während er auf der rechten Seite eine Haarsträhne zusammengewickelt und mit einem Bändchen und einer Feder verziert hatte.
    „Keiner von euch beiden ist damit einverstanden!“, sprach der alte Mann weiter. „Du nicht Kino, weil du sie liebst, und du nicht Jasmin, weil du hier das gefunden hast, was du eine Familie nennst. Wir haben zwei Seiten.“ Er nahm einen Stock und ritzte einen Strich in den Boden vor sich. „Die eine Seite ist jene des Glücks.“ Er zeichnete ein kleines Zeichen in den sandigen Boden. „Die andere Seite ist jene der Regelung.“ Ein weiteres Zeichen wurde in den Boden gezaubert. „Diese beiden Seiten können nochmal geteilt werden.“ Dabei nahm er seinen Stock und zog einen Gegenstrich durch den Ersten, sodass ein deutliches Plus entstand. „Die Seite des Glücks beinhaltet Kino, Jasmin und den Rest der ´Familie`. Susanna, Kinsky, vielleicht Stefan und Janina, Jaro und auch mich.“ Wieder gab es ein Zeichen für jedes Viertel. „Die andere Seite beinhaltet Jasmin und ihre Pflegeeltern!“ Ein weiteres Zeichen für jedes Viertel. Dann nahm der Mann den Stock und zog einen Kreis um die Viertel. „Und ganz in der Mitte, in dem tiefsten Punkt dieses kleinen Medizinrades gibt es etwas, was sehr viel Kraft besitzt.“ Er sah kurz in die Gesichter der jungen Leute und deutete mit dem Stock in die Mitte. „Diese Mitte beinhaltet die Seele Whispers.“
    In diesem Augenblick senkte Jasmin den Kopf. Whisper war ihr Pferd, ein Teil von ihr. Sie sprach selbst über den Tod hinaus mit dem Tier. Sie half ihr, sie unterstützte sie und sie vermisste sie. Whisper war wiedergekommen, in der Form des goldenen Pferdes. Zu hören, dass Kinos Großvater gleich dachte wie sie, berührte sie tief.
    „Diese Seele“, fuhr der Mann fort, „beeinflusst uns alle. Nicht nur uns, die wir daran glauben, sondern auch jene, für die Pferde einfach nur Tiere, dumme Lebewesen, ohne Verstand sind. Aber sie besitzt sehr viel Macht, die Macht der Liebe. Der Große Geist spürt diese tiefe Verbundenheit. Er weiß, dass dein Herz für Jasmin schlägt“, dabei blickte er zu Kino. „Und dein Herz“, er wechselte zu Jasmin, „schlägt für dieses Land, die Wildnis, für uns ganz besonders. Aber niemand anderer kann den eigenen Weg ebnen, außer derjenige selbst. Ihr habt beide die Macht auf eurer Seite. Jetzt zählen eure Weisheit, euer Wille und euer Vertrauen an die großen Mächte. Das, was ihr im Herzen fühlt, gibt euch die Kraft. Wer seinen Weg scheut, wird nie wissen, ob es vielleicht doch das richtige Ziel gegeben hätte.“
    Kino starrte auf die Zeichnung am Boden und lauschte den Worten seines Großvaters. Er lebte in tiefer Verbundenheit mit den Mächten der Geisterwelt und war in der Lage, durch kleinste Zeichen Dinge zu sehen, die anderen

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