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Whisper (German Edition)

Whisper (German Edition)

Titel: Whisper (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandy Kien
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Empfindungen, von einem veränderten Blickwinkel. Nie hätte sie auch nur vermutet, dass sie selbst Auslöser für dieses Handeln war. Nie war es ihr bewusst geworden, dass sie einen derartigen Eindruck hinterlassen hatte, fühlte sich geschmeichelt und erdrückt zugleich. Johanna, ihre Pflegemutter, hatten nasse Augen. Ab und an hatte sie sich die Tränen zart mit einem Taschentuch abgetupft. Manuel, er stand nur da, verzog keine Miene, schien damit Probleme zu haben, alles in sich aufzunehmen, was ihm gerade widerfahren war. Mit starrem Blick sah er in die Runde der Jugendlichen, die wie eine Wand vor Jasmin standen und damit zu verstehen gaben, zu schützen, was ihnen wichtig war. Jasmin hatte sich irgendwann umgedreht, sich an den alten Mann gelehnt und sich von ihm in den Arm nehmen lassen. Es war, als wollte sie sich an seiner Schulter verstecken, um zu verbergen, was in ihr vorging. Die Atmosphäre war gespenstisch, prickelnd und elektrisch zugleich. Es schien rundherum zu knistern.
    Stefan saß hinten auf einem der Barhocker und schüttelte immer mal wieder den Kopf. Kino hatte irgendwann seinen Kopf gehoben, die Augen geschlossen, aber die Blickrichtung gen Himmel beziehungsweise Zimmerdecke gewandt. Jaro ahnte, dass er eine Bitte an den Großen Geist schickte, er möge die Menschen jetzt in diesem Raum die richtigen Entscheidungen treffen lassen. Eine Zeitlang hätte man eine Feder zu Boden fallen hören. Nichts, aber auch absolut nichts und niemand bewegte sich. Jeder schien irgendwie mit seiner ganz persönlichen Emotion fertig werden zu müssen, denn Gesagtes war nicht einfach nur Gesagtes. Es war tiefgreifend, ging schwer unter die Haut und versuchte mit aller Macht die Seelen der anwesenden Menschen zu erreichen. Es war zu erahnen, bei wem die Worte ihr Ziel fanden, bei wem sie eine Hürde zu überwinden hatten, und bei wem sie schlicht abprallten.
    Jasmins Pflegevater war der Erste, der seine Hand ins Gesicht hob, über sein Kinn strich und nicht vorhandenen Schmutz wegzuwischen schien. Sein Seufzen durchquerte den Raum, wie ein Donner, obwohl es leise und kaum von Bedeutung war. Trotzdem richteten sich sämtliche Augen auf ihn und es dauerte auch gar nicht lange, bis er die Hand wieder senkte, einen Blick in die verschiedenen Gesichter wagte und ein, „Nun ja!“, zutage förderte. Er machte eine Pause, bevor er sich wieder straffte und seine harten Züge festigte.
    „Das ist zwar alles recht und schön“, kam es aus seinem Mund und man konnte sehen, wie viele den Atem anhielten, „aber die Flugtickets sind bereits gekauft, der Flug ist gebucht, wir werden morgen abreisen. Jasmin, es wäre gut, wenn du dich danach richtest und deine Sachen packst!“
    Das schlug ein wie eine megaschwere Bombe. Während von den Mädchen ein halblaut gesprochenes „Nein“ zu hören war, rumpelte Stefan von seinem Barhocker, sodass dieser mit lautem Getöse umflog. Susanna löste sich ruckartig von ihrem Mann, die Hand vor Mund und Nase gepresst, und verschwand fluchtartig in ihren Küchenbereich, wobei sie mit dem Fuß gegen einen Sessel stieß, der krächzend zur Seite rutschte. Wer aufstöhnte, war nicht auszumachen, doch der Aufschrei, der kam, war überdeutlich zu hören. Jasmin hatte ihre Hände über ihre Ohren gelegt, sich von Kinos Großvater gelöst, umgedreht und war mit einem Sprung beim Ausgang. Hektisch umklammerte sie die Türklinke, riss daran, sodass die schwere Holztür aufflog und nach hinten an die Wand donnerte. Mit einem Satz war sie draußen auf der Veranda, gewillt, einmal mehr in heilloser Verzweiflung die Flucht zu ergreifen. Nahezu zum selben Augenblick war Johanna irgendwie erwacht, hörte Jasmins Schrei des Entsetzens und schien ihre Flucht zu erahnen, denn noch bevor das Mädchen bei der Tür war, hatte sie ihren Mann zur Seite gestoßen, Patrick verdrängt und den Namen ihrer Tochter ausgerufen, als diese schon draußen auf der Treppe stand. Nachdem das Mädchen aber nicht reagierte, brüllte sie ihr ein zweites Mal hinterher.
    „Jasmin … bitte, ich bitte dich inständig, bitte warte.“
    Ihre Stimme war flehentlich, fein, glockenhell, und als sie bemerkte, dass das Mädchen zögerte, ergriff sie ein weiteres Mal das Wort.
    „Bitte Jasmin, bitte hör mir nur einen Moment zu, nur einen kurzen. Bitte …“
    Jasmin ließ sich aufhalten, verhielt auf der obersten Stufe, klammerte sich am Geländer der Veranda fest und blickte vorsichtig zurück. Automatisch trat man auf die Seite,

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