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Whisper (German Edition)

Whisper (German Edition)

Titel: Whisper (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandy Kien
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als Johanna nach vorne ging, auf Jasmin zusteuerte und ihren Blick suchte, der aber von vielen Haaren verschleiert wurde.
    „Jasmin …“ Die Frau schien verzweifelt nach irgendwas zu suchen, wie sie an das Mädchen herankommen konnte, ohne eine weitere Flucht auszulösen und schien den rettenden Einfall zu haben.
    „Jasmin, ich … zeigst du mir Tom … bitte?“
    Es war ein vorsichtiger Versuch, der abermals alle stocken ließ. Die Frau wartete, wagte sich nicht näher an das Mädchen heran, bemerkte aber, dass diese ihre Gestalt etwas mehr aufrichtete und ihren Kopf weiter umwandte. Endlich hatte sie freies Blickfeld in ihr Gesicht. Im Schein der Außenbeleuchtung wirkte es zerfallen, blass, dünn, ihre Augen klein und verweint. Ihre Blicke trafen sich. Jasmin fixierte sie nur kurz, blickte aber dann an ihr vorbei. Johanna folgte ihr, konnte sehen, dass das Mädchen Augenkontakt zu dem alten Indianer suchte, der kaum merklich nickte. Sie glaubte schon, den Versuch in den Sand gesetzt zu haben, als Jasmin ihren Kopf wieder nach vorne nahm, und langsam den Kopf senkte.
    „Er steht im Stall!“, kam es leise aus ihr heraus.
    Jemand schob Johanna nach vorne, Richtung Jasmin. Sie hätte nie sagen können, wer es gewesen war. Vorsichtig trat sie auf das Mädchen zu. Jasmin sah zu ihr auf. Es war ein Lächeln, das ihr entgegen schlug. Ein zartes, feines nahezu schon sympathisches Lächeln.
    Jasmin atmete dezent durch, trat aber dann die Stufe hinunter und ließ zu, dass Johanna ihr folgte. Die beiden bemerkten nicht, dass es ein energischer Jonathan Kinsky war, der Manuel Devot daran hinderte, hinter seiner Frau herzustürmen, um sie an ihrem Tun zu hindern. Mit Nachdruck beförderte er den Mann ins Hausinnere und befahl ihm grob seinen Hintern nicht mehr vom Stuhl wegzubewegen und diesen Teil nun seiner Frau zu überlassen. Und er drohte ihm ziemlich formlos, dass er ihm das Maul stopfen würde, sollte er es wagen, noch einmal so unvermittelt hirnlos aufzutreten.
    Jasmin selbst schritt über den Hof Richtung Stall. Auf der Veranda hatte sich die Jugend mit den Indianern versammelt. Die Kids hatten sich gegenseitig die Hände gegeben und forderten auch die Erwachsenen auf, dieses Band zu stärken. Es war eine Kette der Hoffnungen und der Gefühle, der Kraft und des Mutes. All das schickten sie geschlossen an Jasmin und ihre Mutter und beteten, dass es dem Schicksal den richtigen Kick gab.
    Die Stalltür knarrte leicht, als Jasmin sie öffnete und nach dem Lichtschalter griff. Es flackerte kurz, bevor die Neonröhren den Stall hell erleuchteten. Die Pferde blinzelten zu ihnen herüber, lediglich einer ließ ein Grummeln hören und klopfte mit dem Huf leicht gegen die Boxenwand. Jasmin trat auf den schwarzen Kopf zu, der über die Wand schaute, und sie freundlich anstupste.
    „Ist das Tom?“ Johanna trat nur vorsichtig näher, hatte sichtlich Respekt vor dem Pferd. Was ihr nicht entging, war die Zärtlichkeit, mit der das Tier Jasmin berührte und seinen Kopf an ihr rieb. Jasmin öffnete die Boxentür und trat in das Innere. Ihre Hände glitten über den Pferdehals, weiter über die Brust, Schulter, Rist und Rücken. Das Pferd verfolgte sie mit dem Kopf, schnaubte sanft und genoss die kurze Streicheleinheit.
    „Ja, das ist Tom“, kam es leise zurück, wobei Jasmin jeden Blickkontakt vermied. Johanna hatte beobachtet, wie sich das Mädchen mit dem Ärmel die Tränen abgeputzt hatte und im Lichtschein waren ihr die stark geröteten Augen aufgefallen. Bei Gott, sie hatte sich so gewünscht, mit ihr reden zu können, sich mit ihr auszutauschen und nicht ständig gegen diese Wand zu reden, gegen den Fels, den sie dargestellt hatte, bevor sie nach Kanada abgeflogen war. Es stimmte. Das Land hatte sie verändert. Sie wirkte anders. Sie hatte das Mädchen als in sich gekehrt, verstört, total schweigsam, nicht antastbar und zurückgezogen, kennengelernt. Ärzte hatten ihr erklärt, was das Mädchen durchmachte, hatten jedes Verhalten mit einem Fremdwort betitelt, hatten Neurosen festgestellt und Behandlungen vorgeschlagen. Nichts hatte wirklich gefruchtet, und zur Erklärung waren immer neue Fremdwörter hinzugekommen. Jetzt war sie erst seit wenigen Stunden in diesem Land und hatte Jasmin von einer anderen Seite kennengelernt. Sie hatte an ihr heftige Reaktionen gesehen, hatte sie sprechen gehört, mitbekommen, wie sie sich an diesen alten Mann geklammert hatte, dem sie absolut tief vertrauen musste, wenn sie so etwas

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