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Whisper Island (01) - Sturmwarnung

Whisper Island (01) - Sturmwarnung

Titel: Whisper Island (01) - Sturmwarnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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warte, warte, sagte sie sich. Warte einfach, warte. Sie wollte nicht akzeptieren, dass Laurel, die ihre Flucht vor Jeff Corrie so perfekt geplant hatte, sie auf einer Insel zurückgelassen hatte, über die sie nichts wusste und auf der sie ganz auf sich allein gestellt war.

K APITEL 4
    In diesem Augenblick hatte Becca vor allen möglichen Dingen Angst. Sie war vierzehn Jahre alt und wie die meisten Mädchen in diesem Alter noch nie auf sich allein gestellt gewesen. Ihre Mutter war immer da gewesen, und ihre Großmutter auch, bevor sie an Brustkrebs gestorben war. Jetzt hatte sie bloß noch ein Handy, mit dem sie niemanden erreichen konnte, außer, sie wollte in San Diego anrufen und Jeff Corrie Guten Tag sagen. Laurel hatte alles sorgfältig geplant, aber der wichtigste Teil ihres Plans war gerade geplatzt.
    Vor dem Haus, in dem Carol Quinn gewohnt hatte, überquerte sie die Straße. Der Mann war wieder hineingegangen, und sie konnte ihn durch die hell erleuchteten Fenster sehen. Sein Flüstern war für sie aufgrund der Entfernung und durch das Fensterglas hindurch nicht zu hören, aber sie konnte sich gut vorstellen, was er dachte: Carol … Carol … was soll ich bloß tun … Dabei lief er ziellos im Zimmer auf und ab.
    Becca stand auf einer großen Wiese, die hoch über dem Wasser lag. Dort war ein Baumstamm, kahl und glatt wie ein Stück Treibholz, den jemand hochgeschleppt und als Bank hier hingestellt haben musste. Sie ging hin und setzte sich darauf. Sie versuchte, sich nur darauf zu konzentrieren, eine Antwort auf die Frage »Was soll ich jetzt machen?« zu finden. Um zu verhindern, dass die Panik sie übermannte, wühlte sie in ihrer Jackentasche nach den Keksen und aß einen davon. Sie kaute langsam, um Zeit totzuschlagen. Es begann, leicht zu regnen, und sie setzte die Kapuze ihrer Jacke auf. Dann betrachtete sie die Lichter auf dem gegenüberliegenden Ufer der Passage und fragte sich, wie weit Laurel wohl schon gekommen war.
    Sie war nach British Columbia unterwegs, genauer gesagt nach Nelson, einer Stadt in den Bergen. Sie sagte, es habe mit Roxanne zu tun, dem alten Film mit Steve Martin und Daryl Hannah. Es war einer ihrer Lieblingsfilme und sie hatte die DVD und sah sie sich immer dann an, wenn es ihr nicht so gut ging. Dabei schien die Liebesgeschichte sie weniger zu interessieren als die kleine Stadt Nelson selbst, wo er gedreht worden war. Jedes Mal, wenn sie Roxanne guckte, studierte sie die Stadt regelrecht. Sie hielt den Film immer wieder an und betrachtete ganz genau die Umgebung. Das tat sie so oft, dass Becca schon dachte, sie suche jemanden, vielleicht einen Bewohner aus Nelson, der als Komparse mitwirkte. Aber sie kam nie dahinter. Denn während sie den Film sah, sagte Laurel im Kopf ein Gedicht auf. Hört her meine Kinder und gebt gut acht auf Paul Reveres Ritt durch die dunkle Nacht. Und als Becca sie einmal fragte, warum sie das tue, antwortete ihre Mutter: »Um mein Gedächtnis zu trainieren, mein Schatz«, als ob sie Angst hätte, der Film würde es aus ihrem Gedächtnis löschen. Dann fügte sie streng hinzu: »Und warum trägst du deine AUD-Box nicht?«
    »Die AUD-Box ist doch zu deinem eigenen Schutz, Liebling«, hatte ihre Großmutter immer gesagt. »Natürlich soll sie auch die Privatsphäre der anderen schützen. Aber sie ist hauptsächlich dazu da, damit nicht dein Leben lang die Gedanken anderer Leute auf dich einprasseln.«
    » Du hast doch auch damit gelebt«, antwortete Becca dann, denn von ihrer Großmutter hatte sie nicht nur die roten Haare geerbt, sondern auch ihre Fähigkeit, das Flüstern der anderen zu hören.
    »Stimmt, aber deine Gabe ist stärker als meine. Es wird eine Weile dauern, bis du gelernt hast, damit umzugehen.«
    »Muss ich dieses blöde Ding etwa bis an mein Lebensende tragen?«
    »Nur so lange, bis du die Lautstärkeregler in deinem Kopf gefunden hast«, sagte ihre Großmutter. »Deine Mutter will dich bloß beschützen, Liebling. Es ist nur zu deinem Besten.«
    Und das war nur allzu wahr. Hätte Becca den Kopfhörer der AUD-Box nicht herausgenommen, hätte sie Jeff Corries Flüstern nicht gehört. Dann hätte Jeff Corrie niemals ihren Gesichtsausdruck gesehen, der ihm verriet, dass sie wusste, wie er seinen Geschäftspartner aus dem Weg geräumt hatte. Und deshalb mussten sie vor ihm fliehen. Alles nur, weil Laurel sie beschützen wollte, koste es, was es wolle.
    Aber im Augenblick merkte Becca nicht viel davon, dass ihre Mutter sie beschützte.

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