Whisper Island (01) - Sturmwarnung
sehen, dass sie etwas suchte, aber was sie schließlich fand, brachte ihn endgültig auf die Palme. Sie schnappte sich einen Kopfhörer, stopfte ihn sich ins Ohr und drehte die Lautstärke an einem Gerät auf, das aussah wie ein iPod. Seth dachte: Was? Sie hört Musik? Da brach es wütend aus ihm heraus.
»Was machst du da? Hast du sie noch alle? Wir müssen reden. Man hat mich ins Gefängnis gesteckt. Weißt du das? Sie stellen Fragen. Dann hat dein Handy angefangen zu klingeln und mein Großvater hat es gefunden, und … Könntest du dieses blöde Teil aus dem Ohr nehmen und mir zuhören?«
»Es hat geklingelt? Das Handy hat geklingelt?«, erwiderte sie und fing ohne ersichtlichen Grund an zu weinen.
»Es war die Polizei. Sie haben versucht, deinen Anruf nachzuverfolgen. Mein Großvater bringt es ihnen. Oder sie holen es bei ihm ab. Was weiß ich. Könntest du bitte die Musik ausmachen?«
»Es ist keine Musik!«, schrie Becca. »Wenn du so wütend bist, kann ich dich nur damit hören. Hör selbst.«
Sie zog sich den Kopfhörer aus dem Ohr und gab ihn Seth. Atmosphärisches Rauschen dröhnte ihm so laut in den Ohren, dass er zusammenzuckte. Verdammt, wer ist diese Tussi?, ging es Seth durch den Kopf. Kommt die von einem anderen Stern?
Seth sah, dass sie jetzt richtig weinte. Sie hatte sich ein Kissen geschnappt und drückte es fest. Als sie zu sprechen versuchte, brachte sie die Worte nur in großen Schluchzern heraus.
Aus diesen Schluchzern konnte sich Seth die Geschichte zusammenreimen, die Becca ihm erzählte, weil sie jetzt keine andere Wahl mehr hatte. Ohne das Handy hatte sie jede Möglichkeit verloren, mit ihrer Mutter Kontakt aufzunehmen. Ohne das Handy war sie völlig auf sich allein gestellt, und sie würde durchdrehen, wenn sie jemandem nicht zumindest einen Teil der Wahrheit erzählte.
Ihr Stiefvater hatte höchstwahrscheinlich seinen Geschäftspartner ermordet, und er wusste, dass sie wusste, dass er es getan hatte. Außerdem hatte er sie benutzt, um ihm zu helfen, Leute um ihr Geld zu bringen, die eine sichere Kapitalanlage suchten. Becca hatte jedoch nicht gewusst, um wie viel Geld es sich dabei handelte und was Jeff Corrie damit anstellte und dass das der Grund war, warum er seinen Geschäftspartner ermordet hatte. Aber aufgrund der Art, wie sie es herausgefunden hatte, konnte sie nicht zur Polizei gehen und das alles erzählen, weil sie ihr nicht glauben würde. Und als ihr das alles klar geworden war, hatten sie und ihre Mom die Flucht ergriffen. Jeff Corrie würde aber schon bald versuchen, sie aufzuspüren. So viel stand fest.
»Ich wusste, was sie wollten, verstehst du?«, schluchzte Becca. »Ich wusste, was sie brauchten. Ich wusste, wie … Wenn Jeff das Richtige sagte … Ich wusste, was er ihnen sagen musste, und ich dachte, es würde ihnen bei ihren Geldanlagen helfen. Jeff meinte, dass sich Leute manchmal vor Veränderungen fürchten und deshalb nicht immer die richtigen Entscheidungen für sich treffen und dass ich ihm Anhaltspunkte geben könnte, was er sagen müsste …«
Seth kam sich wie eine Zeichentrickfigur vor, die sich gegen den Kopf schlagen musste, um alles zu verstehen. Was redete sie da?
Das Einzige, was er wirklich begriffen hatte, war die Sache mit ihrer Mom. Ihr Handy war die Verbindung zu ihrer Mom, das Handy war weg, und das war schlimm. Aber so wie Seth die Sache sah, könnte es noch schlimmer sein. Vielleicht war die Tussi völlig durchgeknallt.
»Das Telefon«, sagte Becca. »Ich brauche das Telefon.«
»Die Cops werden es zurückverfolgen«, erklärte er ihr. »Wenn sie es in die Hände bekommen, werden sie es zurückverfolgen.«
Er setzte sich aufs Bett. Becca stand auf und setzte sich neben ihn. Ganz vorsichtig und behutsam legte Seth ihr einen Arm um die Schultern.
»Ich glaube nicht, dass sie es zurückverfolgen können«, sagte Becca. »Wir haben die Handys in einem Supermarkt gekauft.«
»Und wie habt ihr dafür bezahlt? Hat deine Mom Bargeld benutzt?«
»Ich glaube … Sie hat nie mit Bargeld bezahlt. Sondern mit Kreditkarte.«
Mehr wusste Becca nicht, außer dass ihre Mutter die einzige Nummer eingespeichert hatte, die sie brauchte: die Nummer von Laurels eigenem, neu erworbenem Telefon.
»Wenn sie eine Kreditkarte benutzt hat«, meinte Seth, »wird die Polizei sie finden.«
Becca schluckte. Sie war am Boden zerstört. Sie hatte versagt, sie hatte ihre Mutter im Stich gelassen, und wie es aussah, auch Seth. Sie sagte zu ihm: »Was ist mit
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