Whisper Island (01) - Sturmwarnung
hörte auf und setzte einen Moment später wieder ein. Es war ganz einfach, dem Klang zu folgen. Ralph nahm das Handy von einem der Dachsparren über der Informationstafel herunter.
Seth hörte nur, was Ralph sagte, der das Gespräch so begann wie immer. »Hallo … Was soll das heißen, ›wer ist da‹? Wer zum Geier ist da ? … Ich hab das Klingeln gehört und bin dem Geräusch gefolgt, so habe ich … in den Saratoga Woods, außerhalb von Langley … Haben Sie sie noch alle? … Ma’am, ich bin zweiundsiebzig und meine Augen auch. Ich werd ’nen Teufel tun und da heute Abend noch hinfahren. Ich bin die Strecke heute schon mal gefahren … Sie können gern jemanden vorbeischicken, der’s holt … Ralph Darrow … Damit habe ich absolut kein Problem.«
Er klappte das Handy zu und steckte es in die Tasche. »Polizei. Jemand hat heute mit diesem Ding die Notrufzentrale angerufen wegen irgend ’nem Jungen, der im Wald gestürzt ist. Weißt du was darüber?«
Seth schüttelte den Kopf.
Ralph musterte ihn gute dreißig Sekunden lang. »Ich kann dir nicht helfen, wenn ich nichts weiß«, stellte er klar.
»Da gibt’s nichts, was du wissen müsstest«, gab Seth zurück.
Seths Großvater fuhr die gleiche Strecke zurück, die sie gekommen waren. Sie führte an der Smugglers Cove Blumenfarm vorbei, wo Hayley Cartwright und ihre Familie wohnten. Seth dagegen fuhr nach Langley zum Cliff Motel .
Dort fiel ihm ein, dass er gar nicht wusste, welche Zimmernummer Becca hatte. In mehreren Zimmern brannte Licht, aber er hielt es für keine gute Idee, an alle Türen zu klopfen, um nach ihr zu suchen. Das bedeutete, dass er Debbie Grieder fragen musste, wo Becca untergebracht war.
Er ging zu ihrem Büro. Die Tür war nicht verschlossen und ein Klingeln machte Debbie darauf aufmerksam, dass ein potenzieller Gast hereingekommen war. Sie trat von hinten aus ihrer Wohnung, und als sie die Tür aufmachte, konnte er Chloe und Josh hören, die fernsahen und vergnügt quietschten.
Seth sagte in seinem höflichsten Tonfall: »Hi, Mrs Grieder. Ich dachte, ich schau kurz vorbei, weil Becca etwas in meinem Auto vergessen hat. Aber ich weiß nicht, in welchem Zimmer sie ist.«
Debbie musterte ihn wie eine Lehrerin, die argwöhnte, er könnte Läuse haben. »Was?«, fragte sie.
»Ihr Handy. Es muss ihr aus der Tasche gefallen sein. Ich hab es erst jetzt bemerkt.«
Debbie streckte die Hand aus. »Ich geb’s ihr.«
Seth erwiderte: »Ich muss auch etwas mit ihr besprechen. Ich meine, nur ganz kurz. Es wird nicht lange dauern.«
Er wollte schon hinterherschieben, dass es Debbie Grieder sowieso nichts anging, schließlich war sie nicht Beccas Mutter, aber er riss sich zusammen. Er war zwar kein akademischer Senkrechtstarter, aber auch nicht völlig auf den Kopf gefallen.
»Lass das Mädchen in Ruhe, Seth Darrow. Sie ist vierzehn Jahre alt«, sagte Debbie.
»Ich weiß. Ich interessiere mich ja auch gar nicht für sie.«
»Und was willst du dann von ihr?«
»Gar nichts. Gus ist heute Nachmittag im Wald abgehauen und ich wollte ihr nur sagen, was passiert ist.«
Debbies Gesichtsausdruck zeigte, dass sie ihm ungefähr so viel Glauben schenkte, wie der Behauptung, der Mond sei aus Limburger Käse. Sie sagte jedoch: »Zimmer 444. Fass dich kurz.«
Seth nickte und ging rückwärts aus dem Büro, damit Debbies scharfe Blicke sich nicht in seinen Rücken bohrten. Er ging zu Beccas Zimmer und klopfte an die Tür.
Als sie aufmachte, war Seth überrascht, dass sie bereits im Schlafanzug war. Dafür schien es ein wenig früh. Auch trug sie weder ihre Brille noch ihre übliche dicke Schicht Make-up, was sie ganz anders aussehen ließ. Und ihre Augen waren rot, als hätte sie geweint.
Seth wollte Mitgefühl für sie empfinden, aber ihr Anblick brachte alles schlagartig wieder zurück. Vor allem die langen Stunden im Gefängnis, in denen er sich wegen der Reaktion seiner Eltern Sorgen gemacht, über seine gescheiterte Beziehung mit Hayley nachgedacht und darauf gewartet hatte, dass die Polizei ihn verhörte … In seinem Kopf überschlugen sich die Gedanken über das, was er Becca alles sagen wollte, über die Schwierigkeiten, in denen er jetzt steckte, dass er jetzt sogar seinen Hund verloren hatte, über den Ärger, den er seinem Großvater bereitet hatte, und …
Plötzlich hielt sich Becca die Ohren zu. »Hör auf! Es tut mir leid! Es tut mir leid ! «, schrie sie und fing an, auf dem Boden neben ihrem Bett herumzukramen.
Seth konnte
Weitere Kostenlose Bücher