Whisper Island (01) - Sturmwarnung
loslachte.
Becca erkannte den Jungen, der Jenn am Arm festhielt. Er war mit ihr auf der Fähre gewesen. In einer Mittagspause hatte er sich auch mit Derric angelegt. Dylan, dachte Becca. Sein Name war Dylan.
Jenn riss sich von ihm los. »Reiß dich zusammen, Dylan!«, fauchte sie ihn an, woraufhin Dylan antwortete: »Reiß du dich zusammen.«
Ein anderer Junge sagte: »Die ist doch voll lesbisch«, als ein dritter einwarf: »Wir wissen schon, was du aufreißen willst, du Freak.«
Sheriff Mathieson hatte das Ganze beobachtet. Fast alle anderen hatten es auch gehört. Der Polizist stand von seinem Platz auf und ging hinüber zu den Jungs.
»Was ist hier los?«, wollte er wissen und sein Tonfall ließ keinen Zweifel daran, dass die Jungs in ernsten Schwierigkeiten steckten.
Dylan lief dunkelrot an, sodass er schon fast einer Aubergine glich. Die anderen Jungs fingen an zu stottern. Der Sheriff beugte sich über ihren Tisch, ganz nah an Dylans Gesicht heran. Er fragte etwas lauter: »Ich habe dich gefragt, was hier los ist. Du hast etwas über Derric gesungen, woher kennst du ihn? Wie heißt du? Warst du im Wald, als er verletzt wurde?«
Dylan wurde schlagartig kreidebleich.
Jenn sagte höhnisch: »Ja, Dylan. Warst du auch im Wald?«
Das brachte den Polizisten erst recht in Fahrt, denn er sagte: »Sollte Derric dich dort treffen? Du machst jetzt lieber den Mund auf, bevor ich …«
»Hey. Immer langsam«, meldete sich einer der anderen Jungs zu Wort.
Dave Mathieson ging einen Schritt auf ihn zu. In diesem Moment schaltete sich Ms Primavera ein. Becca wusste nicht, woher sie aufgetaucht war, aber die Schulberaterin legte Sheriff Mathieson eine Hand auf den Arm und redete ganz leise auf ihn ein. Dann sagte sie zu den Jungs: »Müsst ihr nicht gleich im Unterricht sein?« Von Jenn McDaniels nahm sie nicht die geringste Notiz.
Die Jungs sprangen auf, als hätten sie Feuer unterm Hintern. Der Polizist berührte kurz Ms Primaveras Hand, die immer noch auf seinem Arm lag. Becca sah, wie sich ihre Finger verschränkten, woraufhin die Schulberaterin ihre Hand herunternahm. Der Sheriff sagte etwas zu ihr, und als wäre nichts gewesen, verließen sie den Gemeinschaftsraum. Jenn blieb allein zurück, während die starren Blicke der anderen Schüler auf sie gerichtet waren. Sie wirbelte herum und verschwand durch die Türen, die zum Theaterflur und den Musikräumen führten. Niemand sagte ein Wort zu ihr.
Leider marschierte Jenn durch dieselbe Tür aus dem Gemeinschaftsraum wie die Jungs, die sie gerade drangsaliert hatten. Becca sah es und wusste, dass das nur Ärger bedeuten konnte.
Sie zögerte kurz. Jenn war ein echtes Miststück und Becca schuldete ihr nichts. Aber Jenn hatte zumindest versucht, Derric zu helfen. Das sprach schließlich für sie.
Auf dem Flur sah Becca, dass die Jungs, die Sheriff Mathieson zur Rede gestellt hatte, immer noch bei den Türen zu den Musikräumen herumlungerten. Sie standen in der Nähe der Mädchentoiletten, auf die Jenn jetzt zusteuerte. Das war auch den Jungs nicht entgangen, die langsam auf sie zugingen und sie umzingelten.
»Was ist eigentlich mit dir los? «, wollte Dylan wissen.
»Was soll das mit dem Klemmbrett?«, fügte ein anderer hinzu. »Bist du jetzt so ’ne Art Schulvertreterin?«
Jenn schoss zurück: »Warum haltet ihr nicht einfach die Klappe und macht mal was Nützliches?«, und versuchte, sich an ihnen vorbeizudrängen.
»Mit dir ?« Dylan lachte. »Im Leben nicht.«
Zwei der anderen Jungs packten sie an den Armen und ihr Klemmbrett fiel zu Boden. Dylan fing an zu singen: »Sie will es, sie will es. Mach’s mir, mach’s mir, Derr- rick !«, während seine Begleiter anzügliche Bewegungen mit den Hüften machten.
Becca warf ihren Rucksack zur Seite und schrie: »Hey! Lasst sie gefälligst in Ruhe!« Sie konnte sehen, dass Jenn kurz davor war, in Tränen auszubrechen.
»Ohhh! Da kommt die Gattin der Lesbe!«
Und ein anderer Junge schrie: »Schmalzhaar auf Beinen!«
Sie lachten dämlich. Aber Beccas Einmischung lenkte sie lange genug ab. Jenn riss sich von ihnen los und rannte zur Toilette.
Die Jungs wollten sich auf Becca stürzen, aber in diesem Augenblick kam der Musiklehrer aus seinem Unterrichtsraum und fragte scharf: »Was ist hier los?« Das genügte, damit sie wie die Ratten von einem sinkenden Schiff flohen.
Becca sah ihnen nach und hörte nur undeutlich, wie der Musiklehrer sie fragte: »Ist alles in Ordnung?«
Sie nickte, auch wenn das alles
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