Whisper Island (01) - Sturmwarnung
energisch darauf herum, bevor er ihn vor Seths Füßen fallen ließ.
Ralph beobachtete das Ganze und sagte dann: »Also. Was hast du auf dem Herzen, Lieblingsenkelsohn? Ich würde ja gerne glauben, dass du mich einfach nur besuchen willst, aber in letzter Zeit tauchst du immer nur dann auf, wenn du über irgendwas reden willst.«
»Wenn ich dich besuche, rede ich auch mit dir«, gab Seth zurück.
»Du weißt schon, was ich meine.«
Also erzählte Seth seinem Großvater von den Cartwrights: dass er auf Ralphs Anregung hin zur Farm gefahren war, aber sofort gemerkt habe, dass dort etwas nicht stimmte, dass er noch einmal dort gewesen sei, um Mrs Cartwrights Handtasche zurückzubringen, und dass Mr Cartwright sich seltsam benommen habe. Er schloss mit: »Grandpa, ich glaube, er war betrunken. Total besoffen. Er konnte nicht mal gerade gehen oder ein Stück Holz auf den Stapel legen, ohne es runterfallen zu lassen.«
Ralph dachte darüber nach, während Seth den Ball erneut in den Wald schmetterte. »Mitten am Tag betrunken zu sein, sieht Bill Cartwright nicht ähnlich. Ich hab ihn früher immer im Dog House getroffen, als es die Kneipe noch gab, aber dort hat er sich nie betrunken. Daran würde ich mich erinnern.«
»Jetzt ist er betrunken«, erwiderte Seth. »Und ich hab mir gedacht, dass das vielleicht der Grund ist, warum Hayley sich so komisch verhält. Als würde sie nicht wollen, dass ich weiß, dass ihr Dad trinkt. Als wäre es ihr peinlich oder so.«
Ralph sagte: »Seth …«, und klang enttäuscht. Das rief Seth wieder ins Gedächtnis, was ihm sein Großvater über diese Denkweise gesagt hatte, und er schob schnell hinterher: »Ich weiß, Grandpa. Nicht alles dreht sich um mich. Ich weiß, du denkst, dass ich denke …«
»Jetzt bist du völlig auf dem Holzweg, mein Junge.« Ralph nahm Seth den Tennisschläger ab und schlug den Ball diesmal zum Teich, damit Gus ihn holte.
»Was meinst du damit?«
»Du schließt aus dem, was du gesehen hast, dass Bill Cartwright trinkt, stimmt’s? Aber dann bist du auch nicht anders als die Leute, die dich wegen deines Aussehens für einen Drogenabhängigen halten, oder?«
»Das ist total unfair!«, protestierte Seth. »Nur, weil ich nicht mehr in die Schule gehe, weite Jeans trage, lange Haare und Ohr-Plugs habe …«
»Du verstehst, worauf ich hinauswill. Die Dinge sind nicht immer so, wie sie scheinen. Das könnte auch hier der Fall sein.« Ralph wartete, während Gus vom Teich zurückgerannt kam. Er hatte statt des Balls einen alten Gummistiefel gefunden. Das war eine köstliche Abwechslung, und der Hund machte sich sofort daran, auf ihm herumzukauen.
Ralph sagte: »Nimm ihm das verdammte Ding weg, bevor er daran erstickt.« Gerade als Seth es machen wollte, sagte Ralph: »Seth, soll ich dir in dieser Sache einen Rat gebe? Ich frage nur, weil Leute selten gute Ratschläge annehmen, und wenn du sowieso nicht vorhast, auf mich zu hören, spare ich mir lieber die Worte und werfe dafür diesen verdammten Ball noch ein, zwei Stunden durch die Gegend.«
»Ich werde auf dich hören«, erwiderte Seth.
»Dann hör mal gut zu: Zieh keine voreiligen Schlüsse, was die Sache mit den Cartwrights betrifft. Und sag Hayley kein Wort darüber, was du gesehen hast.«
K APITEL 26
Becca saß im neuen Gemeinschaftsraum gleich um die Ecke von der Essensschlange. Auf der anderen Seite des Raums lauerte Jenn McDaniels den Schülern auf, die ein- und ausgingen. Sie hatte ihre Anmeldelisten dabei und schrieb die Namen aller Schüler auf, die bereit waren, nach Coupeville zu fahren.
Jenn machte sich Sorgen um Derric. Becca konnte es jedes Mal, wenn sie über ihn redete, in ihrem Flüstern hören. Sie wusste auch, dass die Ärzte ebenso besorgt waren. Bei einem ihrer Krankenhausbesuche hatte sie mitbekommen, wie sich ein Arzt mit einer Krankenschwester leise über Bakterien im Gehirn unterhalten hatte, die ihre Opfer jahrelang in einen tiefen Schlaf versetzten. Aber sie weigerte sich, zu glauben, dass das auf Derric zutraf. Auch wenn Jenn sie nicht leiden konnte, vermutete Becca, dass sie darüber genauso dachte.
So als spürte Jenn, dass Becca sie gerade beobachtete, blickte sie in ihre Richtung. Sie hob eine Hand, als wolle sie ihr zuwinken, und stand halb von ihrem Sitzplatz auf. Das überraschte Becca und sie dachte, Jenn hätte plötzlich ihre Einstellung ihr gegenüber geändert, doch sie wurde wieder von der Realität eingeholt, als Sheriff Mathieson direkt an ihr
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