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Whisper

Whisper

Titel: Whisper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arena
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links neben dem Kücheneingang abging. Noas Augen blitzten flüchtig auf, denn hier – damit hatte Kat ihr den Mund wässrig gemacht – würde sie ihre Dunkelkammer einrichten.
    Doch jetzt mussten erst mal die Katzen aus ihrem Gefängnis. Der rabenschwarze Hitchcock stolzierte als Erster aus dem Korb. Würdig wie ein alter Herr inspizierte er die neue Umgebung. Pancake robbte ängstlich maunzend hinterher und Noa grinste. Ja, Pancake war wirklich ein Pfannkuchen, ein dicker, fetter, kugelrunder Pfannkuchen, rot getigert und so ausladend, dass die plumpen Pfoten unter all dem Speck kaum noch zu sehen waren. »Na, Dicke, hier sind wir also. Willkommen im Exil.«
    »Ach, komm schon, sei nicht so streng, Kleines.« Gilbert legte seinen Arm um Noa. »Wir machen uns das nett im schönen Westerwald, und wenn Kat nervt, sperren wir sie in den Kohlenkeller.«
    Noa lehnte ihren Kopf an Gilberts Schulter. Auf der kurzen Liste der Pluspunkte für diesen Zwangsurlaub kam Kats ältester Freund direkt nach der versprochenen Dunkelkammer und der nagelneuen Spiegelreflexkamera. Kat dagegen stand ganz oben auf der Minusliste. Es war nicht die ländliche Gegend. Es war die Vorstellung, wochenlang auf engem Raum mit Kat zusammen sein zu müssen, die an Noas Innerem nagte. Schon jetzt breitete sich die Anwesenheit ihrer Mutter aus, nahm Besitz von jedem Winkel, füllte die Zimmer bis an die niedrigen Decken und drängte alles andere in den Hintergrund, selbst den massigen Gilbert, der das gar nicht zu bemerken schien.
    »So, hier unten ist also mein Reich«, rief er aus den beiden Räumen, die gleich neben der Küche lagen. Eigentlich waren es eher Kammern als Räume, zwei ineinander übergehende Kammern, mit übel verschmutztem Holzboden, abblätternden Tapeten und einer nackten Glühbirne, die eine einfache Möblierung beleuchtete: einen hellen Bauernschrank, zwei abgewetzte Polstersessel und ein blau gestrichenes Bauernbett.
    Gottes Segen sei mit dir , stand in altdeutscher Schrift hinter einem verstaubten Glasrahmen, der über dem Kopfende des Bettes hing, und zum zweiten Mal seit ihrer Ankunft musste Noa lachen. Schon allein des Spruches wegen waren diese Räume für Gilbert wie geschaffen.
    Noa und Kat würden oben schlafen, das hatten sie bereits besprochen, als sie sich vom Bauern den Grundriss hatten schicken lassen. Von knarrenden Treppen, sich windenden Fluren und verwinkelten Ecken konnte auch hier oben keine Rede sein. Auf der leicht geschwungenen Holztreppe, die in die erste Etage führte, gab lediglich die zweitoberste Stufe ein morsches Geräusch von sich. Der Flur, von dem die Schlafräume, das Wohnzimmer und der verschlossene Dachboden abgingen, war nicht viel größer als der Eingangsflur. Das einzige Möbelstück darin war ein altes Regal voller Bücher und der Blick aus den niedrigen Fenstern reichte nicht weiter als über die Bäume im Garten bis zum nächsten Grundstück.
    Kat bekam die beiden großen Zimmer, die links vom Flur abgingen, und Noa das kleine, quadratische auf der rechten Seite. Es lag direkt hinter dem Wohnraum und war genau wie das von Gilbert mit dem Nötigsten ausgestattet. Noas Blick wanderte vom dunkelbraunen Bauernbett zum schmucklosen Sperrholzschrank bis zu dem Sofa, das aus ein paar Matratzen zusammengebaut worden war. An der Wand neben dem Fenster lehnte ein Spiegel. Auch hier dellten sich die vergilbten Tapeten – ursprünglich waren sie wohl weiß gewesen, weiß mit winzigen roten Rosen – und von einer Stelle an der Decke bröckelte der Putz. Na, wunderbar. Das würde jede Menge Arbeit geben.
    Noa setzte ihre Reisetasche ab, fuhr sich mit der Hand durch das schulterlange schwarze Haar und ging auf den Spiegel zu. Eine dicke Staubschicht trennte sie von ihrem Spiegelbild. Mitten auf den Spiegel, es war noch deutlich erkennbar, hatte jemand ein Wort geschrieben. Schneewittchen .
    Leuchtend rot schimmerten die Buchstaben unter der dicken Staubschicht hervor und Noa starrte das Wort an, bis ein lautes Schnurren sie zusammenfahren ließ. Pancake steckte ihren dicken Kopf durch die Tür und ließ sich mit einem plumpen Satz auf dem Matratzensofa nieder. Sie leckte sich die Pfoten und maunzte Noa hungrig an, als wollte sie fragen: »Wann gibt es endlich was zu fressen?«
    »Okay, Leute, lasst uns die wichtigsten Dinge auspacken, die Öfen startklar machen und dann schauen wir mal, was die Dorfkneipe zu bieten hat«, dröhnte Kats Stimme durch die Wand. Noa stöhnte. So hellhörig wie die

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