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Whisper

Whisper

Titel: Whisper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arena
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geripptes Trägerhemd. In ihren hochgesteckten Haaren steckte eine große grüne Strassbrosche. Sie funkelte im Sonnenlicht, und während Kat den Spaten in die Erde rammte – neben ihr türmte sich bereits ein Berg von klumpiger Erde und Unkraut –, sang sie aus vollem Hals: »Sabinchen war ein Frauenzimmer, gar hold und tugendhaft. Sie diente treu und redlich immer bei ihrer Dienstherrschaft …«
    Gilbert lag mit Shorts und T-shirt im Liegestuhl. Er hatte sich Oropax in die Ohren gestopft, streichelte die auf seiner Brust liegende Pancake und schmökerte in einem dicken Wälzer über die Geschichte der Meditation. Als er Noa aus dem Haus kommen sah, deutete er mit dem Kopf zu Kat und verdrehte scherzhaft die Augen. »Deine Mutter gräbt den Westerwald um.«
    »Den Kompost, Sweetheart«, unterbrach Kat ihren Gesang.
    »Ich habe beschlossen uns einen neuen Kompost anzulegen, auch wenn Gilbert behauptet, es wäre Unsinn, mich wie ein Maulwurf nach unten zu graben. Aber wo ich schon mal dabei bin, kann ich dem Teil doch ruhig auf den Grund gehen, was meinst du?« Kat sah Noa an, als wäre sie drauf und dran, mit ihrem Spaten auf Gold zu stoßen, wartete aber wie üblich keine Antwort ab. »Mein lieber Scholli, du hast ja geschlafen wie eine Tote. David war schon da und wollte dein Zimmer tapezieren. Ich habe gesagt, du holst ihn, wenn du wach bist und dein Zinken abgeschwollen ist.«
    »Furchtbar witzig, Kat.« Verärgert griff sich Noa an die Nase. Kat liebte es, sie damit aufzuziehen, dass ihre Nase nach dem Schlaf immer anschwoll, als hätte sie Schnupfen. Sie nahm sich ein Stück Knäckebrot, bestrich es mit Butter und verjagte eine Biene, die um das geöffnete Honigglas herumschwirrte.
    »Verdammte Hacke, diese Erde ist völlig durchwurzelt, wenn ich damit fertig werde, kann ich eine Rolle als Muskelpaket annehmen«, stöhnte Kat, rammte ihren Spaten wieder in den Boden und sang weiter: »… da kam aus Treuenbrietzen, ein fremder Mann daher, der wollte so gerne Sabinchen besitzen und war ein Schuhmacher …«
    Noa massierte ihre Nasenflügel, bestrich ihr Knäckebrot mit Honig und machte sich damit auf den Weg zur Kneipe.
    Auf ihrer Armbanduhr war es halb zwei, die Sonne stand hoch am Himmel und von der stillen Morgenstimmung war nichts mehr zu spüren. Auf der Weide grasten Kühe, Hunde bellten, vor einem der Häuser kehrte eine Frau mit einem Kopftuch den Gehweg und aus der Scheune ihres Vermieters drang das Geräusch eines anspringenden Traktors. Die Alte saß nicht vor der Haustür und Noa beschleunigte ihre Schritte. Mit gesenktem Kopf lief sie an dem Haus vorbei, als wohne ein Monster dort.
    Vor der Kneipe stand Davids VW-Bus. Die Heckklappe war offen, es roch nach Öl und neben David, der sich über den Motor gebeugt hatte, standen Gustaf und Esther. Aus dem geöffneten Fenster drang das unartikulierte Gebrabbel von Krümel.
    Ein paar Meter vor dem Bus blieb Noa stehen. David hatte sie noch nicht bemerkt, aber Gustaf kam ihr strahlend entgegen. Die Ärmel seines weißen Hemdes waren hochgekrempelt, und obwohl er eindeutig David bei der Arbeit geholfen hatte, war kein einziger Ölfleck darauf zu sehen. Nur seine Hände waren schwarz und schmierig. In der einen hielt er einen Schraubstock, die andere zog er zur Brust, sodass er Noa seinen Ellenbogen hinhielt. Die roten Flecken krochen ihm wieder am Hals empor, seine schlaffen Wangen glühten und Noa empfand ein seltsames Gefühl von Mitleid für ihn. Er sah aus wie ein Kind, das zu früh erwachsen geworden war.
    »Kann dir leider nicht die Hand geben«, sagte er. »Aber David war schon bei euch. Hast du ausgeschlafen?«
    Noa nickte und spähte an Gustaf vorbei zum VW-Bus. Der Wunsch, David hinter der Heckklappe zu sehen, mehr noch, ihn zu berühren und zu küssen, ergriff mit einer solchen Heftigkeit von ihr Besitz, dass sie über sich selbst erschrak. Es schien ihr plötzlich, als sei die Heckklappe eine Mauer und als warte dahinter der Mensch auf sie, den sie ihr ganzes Leben lang herbeigesehnt hatte, mit jeder Faser ihres Herzens. Wären Gustaf und Esther nicht gewesen, Noa wäre auf den Bus zugelaufen und hätte sich David an den Hals geworfen. Jetzt sah auch Esther sie an, nickte einen wortlosen Gruß herüber und wie ertappt senkte Noa den Blick.
    Gerade als sie dachte, dass sie David so unmöglich gegenübertreten konnte, wurde die Heckklappe mit einem Ruck zugeschlagen und David sah sie an. Seine grünen Augen leuchteten, seine Wangen waren

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