Whisper
pressen.
Als David in das Zimmer trat, roch er nach frischem Rasierwasser. Sein Haar glänzte feucht, es war zurückgekämmt und brachte seine markanten Gesichtszüge noch stärker zur Geltung. Er musterte Noa, sagte aber nichts und Noa hätte sich am liebsten in Luft aufgelöst.
»Ist dein Bus kaputt?«, brachte sie schließlich hervor.
David schüttelte den Kopf. »Er muss nächste Woche zum TÜV«, erwiderte er. »Das Ding ist schon uralt, aber Gustaf macht ihn sicher wieder fit. Er ist Hobbymechaniker, den brauchst du nur auf Autos anzusprechen, dann kommt er schon in Fahrt. Gestern nach Feierabend hat er Esther und mir einen endlosen Vortrag über Bremsen gehalten – ich bin drüber eingeschlafen.« David grinste. »Aber du siehst nicht gerade aus, als hättest du viel Schlaf bekommen.«
Noa holte tief Luft und erzählte David von der Begegnung im Morgengrauen. Von der Alten, von Hitchcock, der wie ein Hexenkater um ihre krummen Beine gestrichen war, und von dem, was die Alte zu ihr gesagt hatte. Ihre eigene Stimme klang fremd in ihren Ohren und Noa kam sich vor, als wären die Worte nur Ausflüchte, um nicht den Wunsch aussprechen zu müssen, der ihr auf der Zunge brannte. Küss mich, David. David hatte die Zeitungen vom Stuhl auf den Schreibtisch gelegt. »Der schwarze Prinz«, murmelte er. »Diesen Satz hat mir die Alte auch mal hinterher gerufen. Aber warum hat sie gesagt, du sollst auf dich aufpassen?«
Noa schüttelte ratlos den Kopf. »Ich weiß es nicht. Aber es hat mir Angst gemacht. Im ersten Moment dachte ich sogar, die Alte selbst hätte Eliza getötet. Auch wegen diesem Zeugs mit Schneewittchen … ich meine, im Märchen war schließlich auch eine Hexe die Mörderin. Aber warum sollte die Alte mich dann warnen? Und als sie das mit dem schwarzen Prinzen sagte, da musste ich sofort an Robert denken. Der …« Noa senkte den Kopf. »Der ist übrigens Kats neuste Eroberung.«
David runzelte die Stirn. »Was?«
Noa seufzte. »Sie war bei ihm. Gestern, als wir das Spiel gespielt haben. Den ganzen Nachmittag, bis zum Abend.« Noa verknotete ihre Hände im Schoß. »Ich fürchte, meine Mutter hat einen neuen Liebhaber. Aber mir geht noch etwas anderes nicht aus dem Kopf. Das Juwel. Was glaubst du, hat Eliza mit dem Juwel gemeint? Einen Edelstein? Den sie vielleicht in der Truhe versteckt hatte? Aber warum sollten wir ihn erst finden, um zu sehen, ob wir ihr danach noch helfen wollen? Und vor allem, wo sollen wir dieses Juwel finden?«
»Ich habe nicht den blassesten Schimmer.« David stand von seinem Stuhl auf und öffnete die Dachluke. Sonnenlicht drang ins Zimmer und ließ winzige Staubkörnchen aufwirbeln. »Ich hab sogar schon bei uns rumgestöbert. Aber natürlich nichts gefunden. Ein Juwel«, David lachte bitter. »Ich meine, das klingt doch absurd, vor allem weil das Ganze dreißig Jahre her ist. Wo sollen wir denn da was finden, bitte schön? Dieses Juwel könnte sich inzwischen in sonst was verwandelt haben.«
»Und wenn wir zur Polizei gehen?« In dem Moment, in dem Noa die Frage aussprach, fühlte sie schon, wie dumm sie war.
»Die Polizei?«, wiederholte David ironisch. »Toller Vorschlag, und was sollen wir denen erzählen? Das wirre Gefasel einer durchgeknallten alten Frau? Oder dass wir per Glaspost mit einem Geist kommunizieren, der uns einen dreißig Jahre alten Mord auftischt, aber nicht den Mörder nennen will? Na, das wäre ja wirklich der Witz schlechthin.« David schüttelte den Kopf, dann sah er Noa an. »Ich krieg ja nicht mal etwas raus, wenn ich Gustaf oder meine Mutter frage. Ich hab es noch mal versucht, gestern, nach dem Spiel, aber da hätte ich genauso gut unsere Möbel im Wohnzimmer befragen können. Gustaf sagte nur, er hätte mit den Leuten nichts zu schaffen gehabt, und meine Mutter hat sich gewunden, obwohl glasklar ist, dass sie etwas weiß. Trotzdem, hier im Dorf anzufangen ist im Grunde unsere einzige Chance. Ich habe mir überlegt, dass es vielleicht besser wäre, wenn du dir meine Mutter mal vornimmst.«
»Ich?« Erschrocken stand Noa von Davids Bett auf. »Wieso ich?«
»Weil sie dich nicht kennt. Meine Mutter ist ein extrem höflicher Mensch, bei dir wird sie vielleicht nicht so einfach das Thema wechseln wie bei mir. Komm, wir gehen runter – es sei denn …« David machte ein unsicheres Gesicht. »Es sei denn, du hast Angst vor Krümel.«
Noa schüttelte heftig den Kopf und folgte ihm die Treppe hinunter.
In der Küche saß Marie und fütterte
Weitere Kostenlose Bücher