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Whisper

Whisper

Titel: Whisper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arena
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Farbspritzern.
    Noa starrte ihre Mutter an. »Woher hast du das?«
    »Von Robert«, sagte Kat mit einem leichten Trotz in der Stimme. »Was ist? Was kuckst du mich so an? Habe ich Pestbeulen im Gesicht? Und wo ist überhaupt Gilbert?«
    »Du hast was mit ihm«, flüsterte Noa. »Du hast was mit Robert.« Kat schob die Lippen vor wie ein Kind, das man mit einer verbotenen Süßigkeit erwischt hatte. »Also hör mal, ich war gerade mal einen Nachmittag bei ihm, wofür hältst du mich?« Noa zog es vor, auf diese Frage nicht zu antworten.
    Außerdem sah sie es doch. Sie sah es an Kats Gesicht. Und selbst wenn heute noch nichts gelaufen war, würde es nicht mehr lange dauern.
    Ich habe erobert – das sagte das Leuchten in Kats Augen.
    Und Noa wusste plötzlich nicht mehr, was stärker war. Die Wut auf ihre Mutter oder ihre Angst um sie.

FÜNFZEHN
    Die Alte. Alle halten sie für verrückt, aber ich fühle, dass sie Dinge weiß. Dinge, die noch nicht sind und die doch sein werden, in meiner Zukunft – und in einer anderen.
    Eliza, 29. Juli 1975
    I n dieser Nacht war es die Stille, die Noa wach hielt. Die Stille, die ihre Gedanken umso lauter werden ließ. Stunde um Stunde wälzte sie sich in ihrem Bett, bis sie irgendwann aufstand und ans offene Fenster trat. Am Saum des Himmels zeichnete sich bereits der Morgen ab, jeden Moment würde die Sonne aufgehen.
    Unter dem Walnussbaum saß Hitchcock, den Blick auf das Gartentor gerichtet, durch das eine hell getigerte Katze stolzierte. An ihrem durchdringenden Maunzen erkannte Noa, dass sie rollig war. Die Katze schlich an Hitchcock heran. Ihr immer fordernder werdendes Schreien ließ den Kater sichtlich unsicher werden. Noa musste lächeln, als sie sah, wie hilflos sich der Ärmste verhielt. Schon in den ersten Monaten hatte Kat ihn und Pancake kastrieren lassen, die beiden wussten also nichts von den natürlichen Bedürfnissen ihrer Artgenossen.
    Was um Himmels willen willst du von mir? , schien Hitchcock die Katze zu fragen, was in aller Welt soll ich tun?
    Immer näher rückte ihm die Katzendame auf den Leib, immer verzweifelter maunzte sie, bis sich Hitchcock schließlich so bedrängt fühlte, dass er sich platt auf den Rücken warf und alle viere in die Luft streckte.
    Augenblicklich hörte die Katze zu maunzen auf. Wie angewurzelt stand sie da und starrte den Kater an. Noa musste kichern. Es fehlte nicht viel und die Katze hätte über so viel männlichen Unverstand mit dem Kopf geschüttelt. Dann machte sie kehrt und stolzierte verächtlich aus dem Gartentor. Hitchcock drehte den Kopf, völlig verwirrt blickte er hinter ihr her. Noa prustete los.
    »Armer, dummer Hitchcock«, rief sie in den Garten hinunter. Hitchcock hob den Kopf, jetzt war er es, der maunzte, beleidigt, als hätte man seine Gefühle verletzt. Er sprang zurück auf die Füße und lief der Katze hinterher, die ihn im ersten Moment bedrängt und im nächsten so schmählich hatte sitzen lassen.
    »Hey«, rief Noa ihm hinterher. »Hey, Hitchcock, warte, du sollst nicht auf die Straße.«
    Aber der schwarze Kater war schon um die Ecke gebogen, und als Noa in der Ferne Autogeräusche hörte, bekam sie einen Schreck.
    Hitchcock und Pancake waren reine Hauskatzen, die bis vor kurzem noch nie die Wohnung verlassen hatten. Sie waren an Autos nicht gewöhnt – auch hier waren sie bisher nur im Garten gewesen und hatten höchstens einmal einen Blick über den Zaun gewagt.
    Schnell schlüpfte Noa in ihre Jeans und rannte ihrem Kater hinterher. Hinterher wohin?
    Als sie mit klopfendem Herzen auf die Dorfstraße starrte, war von Hitchcock keine Spur mehr zu sehen.
    Noa lief bis nach unten zur Weggabelung. Nach links führte die Straße zur Kneipe und von dort aus dem Dorf heraus, nach rechts ging sie hoch in einen anderen Wald, hinter dem, wie Gilbert gestern Abend nach seiner Rückkehr aus der Stadt erzählt hatte, der Bahnhof des Dorfes lag. Wieder hörte Noa das Geräusch eines heranfahrenden Autos und Sekunden später bog es um die Ecke. Es war ein grüner Opel und Noa erkannte die beiden Insassen sofort. Thomas Kord saß am Steuer, auf dem Beifahrersitz saß sein Sohn, der Feuermelder. Von hier aus sahen sich die beiden fast zum Verwechseln ähnlich. Derselbe Haarschnitt, dieselbe Haarfarbe, dieselben kantig breiten Schultern. Unwillkürlich zog Noa den Kopf ein, aber es war zu spät, die beiden hatten sie ebenfalls erkannt, und der Blick, den Dennis ihr zuwarf, war alles andere als freundlich.
    »Hitchcock?«

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