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White Horse

White Horse

Titel: White Horse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Adams
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Nichts neue Kräfte. Meine Arme
durchschneiden das Wasser wie Duellklingen. Meine Beine treiben mich mit
kräftigen Stößen vorwärts. An Land spottet der Schweizer weiter. Lisas Schreie
unterstreichen seine Worte. Ich wollte, sie würde sich zur Wehr setzen, aber
sie hat Angst – vor seinen Zornausbrüchen und davor, den brutalen Sexgefährten
zu verlieren.
    Ein Zug und noch einer. Ich beginne mitzuzählen.
    Nach dreißig Zügen berühre ich Beton. Hast du gesiegt, wenn du so
erschöpft bist, dass dir alles egal ist? Spielt es noch eine Rolle, dass du
überlebt hast?
    Ich ziehe mich an Land, ohne darauf zu achten, dass der raue Beton
meine Haut aufschürft. Sauerstoff, köstlich schmeckender Sauerstoff, ist alles,
was zählt. Er strömt in berauschenden Wolken auf mich ein, sticht in meiner
Kehle, brennt in meinen Lungen. Mit jedem Atemzug lässt der Schmerz ein wenig
nach.
    Der Schweizer lacht. »Ich bin beeindruckt. Du hast wieder mal die
Kleine hier gerettet.« Er stößt mit der Stiefelspitze nach dem Mädchen zu
seinen Füßen.
    Â»Lass deinen Frust an mir aus, du Mistkerl!«
    Â»Aber es gefällt mir so besser. Es macht mir Spaß, deine Reaktionen
zu beobachten. Dein Gesichtsausdruck verrät mir alles. Ich kann genau erkennen,
was du mir antun möchtest. Und wofür? Das dumme Ding da würde dich für eine
Tüte Chips verraten. Das würdest du doch, oder?« Wieder stößt er mit der Stiefelspitze
nach ihr. Lisa stöhnt, als er sie in die Rippen trifft.
    Ich kann es nicht ändern. Jedes Mal, wenn ich Lisa ansehe, kommt mir
Jamie in den Sinn. Und Nick. Und all die anderen, die meinen Weg gekreuzt
haben, seit das alles begann. Sie versammeln sich in meinen Gedanken zu einem
aggressiven schwarzen Mob, und als ich den Blick schließlich auf den Schweizer
richte, kann ich … nicht mehr … an mich halten.
    Jede Unze Energie, die das Meerwasser gefordert hat, strömt in einem
einzigen Schwall zurück in meinen Körper. Meine Muskeln zucken vor Wut, bis ich
am ganzen Körper zittere. Ich bin eine Katze, zum Sprung geduckt, und warte …
warte, dass sich meine Beute bewegt. Herrgott noch mal, beweg
dich!
    Er lacht uns aus.
    Aber nicht lange.
    Meine wie mit Sprungfedern gespannten Muskeln lassen los, und ich
schnelle über den Beton, schlage mit schlaffen, müden Fäusten auf seine Brust
ein. Höhnisches Gelächter, um meinen Zorn zu schüren. Dann verlagert er sein
Gleichgewicht. Seine Hände umklammern meine Gelenke, pressen sie zusammen, bis
ich das Gefühl habe, dass die Knochen splittern.
    Â»Du kannst mich nicht verletzen«, sagt er. »Das schaffst du nicht.«
    Â»Ich kann dich sogar töten, falls sich die Gelegenheit bietet«,
stoße ich hervor.
    Â»Nein.«
    Einen Moment lang denke ich, der Ausruf kommt von ihm, aber seine
Lippen sind blasse Striche, wie in Stein gemeißelt. Es ist Lisa, die seine
Partei ergreift.
    Â»Nein«, wiederholt sie. »Bitte, tu es nicht!«
    Er hält mich immer noch fest; ich bin ihm ausgeliefert. Meine Blicke
wandern von ihm zu Lisa und wieder zurück, hin und her. Auf welche Seite des
Zauns hat sie sich begeben?
    Â»Er ist ein Monster«, warne ich sie. »Er wird uns beide umbringen,
wenn wir uns nicht wehren.«
    Â»Was sagst du immer? Was sagst du mir immer? Wir müssen uns an die
Dinge klammern, die unsere Menschenwürde ausmachen. Das sind deine Worte.«
    Sie robbt über den Beton, einen Arm gegen die Rippen gepresst.
    Â»Beweg dich nicht«, ermahne ich sie. »Deine Rippen könnten gebrochen
sein.«
    Â»Du hast mir das beigebracht. Wir müssen Mitleid und Barmherzigkeit
zeigen, weil das ein Teil unseres Menschseins ist.«
    Der Schweizer grinst mich an. Er hält meine Gelenke wie in einem
Schraubstock fest. »Los doch! Sei nicht feige! Kämpfe um
dein Leben! Versuch mich zu töten! Du wirst in dieser neuen Welt nicht
überleben, wenn du nicht töten kannst.«
    Â»Halt dein dreckiges Maul!«
    Lautloses Gelächter schüttelt seinen Körper.
    Â»Nimm Vernunft an, Zoe«, fleht Lisa.
    Der Kampfgeist verlässt mich. Mit einem dumpfen Aufschlag sinken
meine Hände auf den Beton, als der Schweizer seinen Griff endlich löst. Ich
lasse die Schultern hängen. Die Lebensenergie, die kurze Zeit hell aufgelodert
war und meinen Angriff beflügelt hatte, sickert zurück in das

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