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White Horse

White Horse

Titel: White Horse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Adams
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werden sehen.«
    Â»Weshalb hast du dir dann die Mühe gemacht, mich zu warnen? Damit
wirst du deine Ergebnisse verfälschen.«
    Â»Hast du dir die anderen Leute an Bord angesehen? Sie sehnen sich
geradezu nach dem Tod. Du dagegen willst leben. Deshalb gebe ich dir diese
Chance.«
    Dann treibt er in die Nacht oder das, was noch von ihr geblieben
ist, und hinterlässt nichts außer einer dünnen Mondsichel, die sich zitternd im
Meer spiegelt. Ich gehe zurück zu den anderen und warte darauf, dass ich
überlebe.
    Wir stehen herum. Wir warten. Endlich erhebt sich die Sonne über den
Horizont, und wir können unsere Umgebung wahrnehmen.
    Piräus rast uns entgegen.

    Was danach kommt, geschieht schnell und langsam zugleich, wie
jede echte Katastrophe.
    Â»Sag, was ist los?«, will Lisa wissen.
    Ihre naive Frage reißt Löcher in das ohnehin dünne Gewebe meiner
Geduld.
    Ich packe sie an den Schultern, drehe sie so herum, dass ihr Gesicht
der rasch anschwellenden Landmasse zugewandt ist, und beschreibe, was uns erwartet.
    Â»Diese Fähre hat keinen Kapitän, dafür aber jede Menge Treibstoff an
Bord.«
    Sie kann oder will nicht wahrhaben, was das bedeutet. »Und wie
können wir sie stoppen?«
    Ich schleudere ihr meine Worte wie Messer entgegen. »Gar nicht. Wir
werden unweigerlich in die Beton-Barriere knallen – es sei denn, ein anderes Schiff
kreuzt unsere Bahn, oder jemand hier zaubert ein Wunder aus dem Ärmel. Du
vielleicht? Ich jedenfalls nicht.«
    Â»Was machen wir jetzt?«
    Â»Wir ziehen uns bis an die Kante des Hecks zurück. Wenn ich es sage,
springen wir über Bord.«
    Die beiden anderen Frauen geraten in Panik. Sie klammern sich
aneinander und brechen in Tränen aus. Die Männer bleiben harte Männer, wie sie
es gelernt haben, und geben sich betont stoisch. Und plötzlich begreife ich,
dass der Schweizer recht hat. Die Welt, wie wir sie kannten, gibt es nicht
mehr. Wir haben unsere Familien verloren, unsere Freunde und auch unsere
Feinde. Was machen wir, wenn niemand mehr am Leben ist, den wir lieben oder
hassen können?
    Die Landmasse ist ein Tiger aus Beton und Stahl, die auf uns
zuspringt, um uns die Kehlen aufzureißen. Wir haben keine Zeit, seine Streifen
zu bewundern oder ein letztes Gebet zu sprechen. Wir haben kaum Zeit zum
Überleben.
    Â»Spring!«, schreie ich Lisa an und zerre ihre Finger von der Reling.
Hand in Hand fallen wir in die Tiefe.
    Das Meer überlässt uns die ganze Arbeit. Es bäumt sich nicht auf, um
uns entgegenzukommen, sondern wartet, bis wir hart aufprallen. Wir zerreißen
die Membran seiner Oberfläche und sinken. Einen Moment lang – Frieden. Dann
bebt und wirbelt das Wasser, als wollte es mir die Knochen aus dem Leib
schütteln.
    ZEIT: DAMALS
    Jenny und ich trinken wie immer unseren Kaffee an der
Straßenecke, als sie die Bombe platzen lässt.
    Â»Ich habe eine Verabredung.«
    Â»Du betrügst Mark?«
    Sie runzelt die Stirn. »Du lieber Himmel, nein. Ich mache eine
Therapie.« Sie nimmt einen winzigen Schluck Kaffee. Heute frieren wir beide.
»Es wird mir einfach zu viel. Ich komme mit dem Druck nicht klar. Ich rede mir
ein, dass ich es schaffe, aber das ist eine Lüge, die mit jedem Tag
durchsichtiger wird. Du bist mir eine große Stütze, genau wie Mom und Dad, aber
ich brauche jemanden außerhalb der Familie, der mir hilft, meine Probleme zu
bewältigen.«
    Â»Verstehe.«
    Â»Wirklich?«
    Ich nicke. Trinke einen Schluck Kaffee. Versuche die Wärme
auszukosten. Ich denke nicht an Nick. Ich habe heute wieder nach seinem Namen
gesucht und ihn nicht auf der Liste gefunden; das genügt mir.
    Â»Da bin ich aber froh. Komisch, aber ich musste das irgendwie
loswerden, und wenn ich zu Mom und Dad gehe, sagen sie nur …«
    Â»â€¦Â du kannst doch mit uns über alles reden«, beenden wir den Satz
gemeinsam. Wir lachen.
    Â»Genau.« Jenny nickt.
    Â»Ich hatte eine Zeit lang auch einen Therapeuten«, platze ich
heraus. Die Worte überbrücken eine Kluft.
    Sie scheint nicht überrascht. »Hat er dir geholfen?«
    Â»Ja, auch wenn er das vermutlich anders sieht. Ihn suche ich auf
dieser Liste.«
    Â»Weil du ihn liebst?«
    Â»Weil ich ihn hätte lieben können.«
    Â»Das ist das Gleiche«, sagt sie. »Du weißt es nur noch nicht.«
    ZEIT: JETZT
    Wenn ich zum Himmel hinaufstarre, kann ich so tun,

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