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White Horse

White Horse

Titel: White Horse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Adams
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zu
gewähren.«
    Â»Was ist nur los mit dir? Warum hasst du Frauen so sehr? War deine
Mutter eine Hure?«
    Ich habe mal im Fernsehen einen Bericht über die Antarktis-Station
Scott Base gesehen. Angeblich der kälteste Ort auf der Erde. Bis jetzt. Die
Augen des Schweizers lassen den Südpol warm und einladend erscheinen.
    Â»Meine Mutter geht dich gar nichts an.« Er trommelt mit den
Fingerkuppen auf die Reling. Der Kanal kommt näher. »Ich will dir etwas
verraten, aber du musst schweigen. Wenn du auch nur ein Wort darüber verlierst,
werde ich in die Tat umsetzen, was deine idiotische Freundin von mir verlangt.«
    Ich werfe einen Blick zu den toten Steinkegeln und hoffe auf Licht.
    Â»Wirf heute Nacht einen Blick in den Frachtraum. Und behalte für
dich, was du dort siehst.«

    Ich suche den Frachtraum auf. Natürlich. Ich kann nicht anders.
Mir ein Geheimnis anvertrauen zu wollen, ist das Gleiche, wie einer
Verhungernden ein Stück Schokoladentorte vor die Nase zu halten. Und ich bin am
Verhungern. Ich gehe nicht sofort. Ich warte, weil der Schweizer es so wollte,
bis die Dunkelheit hereinbricht und die Schatten mich umhüllen.
    Meine Füße berühren die Stufen in die Tiefe behutsam. Ohne jemandem
zu begegnen, schleiche ich durch die Schiffseingeweide, bis ich vor der Tür des
Frachtraums stehe.
    Sie ist unverschlossen. Wie schlimm kann es sein, wenn die Tür nicht
zugesperrt ist? Aus meiner Tasche hole ich ein Feuerzeug und mache mich bereit.
Ich trete über die Schwelle, lasse die Tür hinter mir aber offen.
    Das Sprichwort Reden im Überschwang ist des
Schiffes Untergang trifft hier nicht zu. Denn Tote reden nicht. Aber der
Untergang des Schiffes ist besiegelt.
    Die ganze Besatzung ist hier im Tod vereint. Der Kapitän liegt
zuoberst auf dem Berg von Leichen, mit blutverschmiertem Gesicht und
verkrümmtem Körper. Die meisten anderen sind für mich Gesichter ohne Namen.
Jemand hat sie gestapelt wie Fischer ihren Fang, allerdings ohne das zerstoßene
Eis, das tote Fische frisch hält.
    Der Schweizer.
    Diesmal poltere ich die Stufen nach oben, ohne auf den
verräterischen Lärm zu achten. Ich renne in den einfachen Aufenthaltsraum, wo
die anderen sich versammelt haben. Manche schlafen oder dösen vor sich hin,
einige schnarchen, andere halten argwöhnisch Ausschau nach unbekannten
Gefahren. Lisa liegt zusammengerollt in einer Ecke; sie hat sich unsere
Rucksäcke als Kissen untergeschoben. Ein Blick in die Runde. Keine Spur von dem
Schweizer.
    Ich renne an die verbeulte Tür, die zur Brücke führt, aber die
Klinke ist abgebrochen, und so bildet sie ein unüberwindliches Hindernis
zwischen Steuerruder und Passagieren.
    Â»Aufwachen!«, schreie ich. »Alle aufwachen!«
    Sie starren mich an wie Schafe, die geduldig auf die Schlachtbank
warten. Niemand macht sich die Mühe, die Tür einzuschlagen; sie beobachten
meine vergeblichen Versuche, und das reicht ihnen.
    In Windeseile lasse ich mir die Möglichkeiten durch den Kopf gehen,
die uns noch bleiben, und ich klammere mich an die aussichtsreichste Lösung:
das einzelne Rettungsboot, das backbords an der Reling befestigt ist.
    Es ist warm in dieser Nacht. In der Luft liegt ein penetranter
Salzgeruch – ein Geruch, den ich immer liebte, weil er mich an unbeschwerte
Ferien am Meer erinnerte. Nun aber enthält er den bitteren Hauch von Niederlage
und Tod. Hier habe ich meinen Präsidenten verloren. Hier hat die Elpis ihre Besatzung verloren.
    Die Fähre pflügt sich mühsam durch das Wasser. Die Scheinwerfer sind
eingeschaltet, aber sie durchdringen das Dunkel kaum. Auch der Mond leuchtet
nur schwach. Mein einziger Hinweis ist das schwache Wellengekräusel des Rettungsbootes.
    Â»Du Dreckskerl«, schreie ich in die Nacht. »Warum hast du sie
umgebracht?«
    Die Worte des Schweizers driften zu mir herauf.
    Â»Der Kapitän war bereits krank. Einige der anderen ebenfalls. Ich
hielt es für besser, sie gleich zu töten, anstatt sie lange leiden zu lassen.«
    Â»Vielleicht hätten sie überlebt.«
    Â»Vielleicht – als Monster. Nicht mehr für ein normales Menschenleben
tauglich. Es war ein Akt der Barmherzigkeit.«
    Â»Quatsch! Du betrachtest das Ganze doch nur als ein krankes Spiel,
in dem du uns herumschiebst wie Schachfiguren.«
    Â»Das Leben ist ein Experiment, und ich bin Wissenschaftler! Wirst du
durchkommen, Amerika? Wir

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