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Whitley Strieber

Whitley Strieber

Titel: Whitley Strieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Kuss des Vampirs
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liebliche Paris bringen würde. »Exakt.«
    »Da haben Sie aber Glück.«
    Er wurde nachdenklich. Er ahnte, dass ihnen in Paris eine grauen- volle Konfrontation bevorstand. Denn zum ersten Mal würden sie Vam- piren gegenübertreten, von denen sie erwartet wurden.
    Die Frage war unumgänglich: Würden er und seine Leute – seine tapferen Leute – ohne den Überraschungsvorteil auf ihrer Seite auch nur den Hauch einer Chance haben?

4
    Das Schloss der Weißen Königin
    Miriam hatte sich mühelos in der menschlichen Gesellschaft zurecht- gefunden, noch bevor die Menschheit die erste Arche gebaut hatte, und sie hielt sich für vollkommen fähig, mit den jeweiligen Landesbe- stimmungen klarzukommen, von den Testamentsformularen der impe- rialen altrömischen Kurie bis zu den Reisepassanträgen des amerika- nischen Außenministeriums. Deswegen war sie überrascht, als der Be- amte an der Passkontrolle sagte: »Kommen Sie bitte mit, Madame Tallman.«
    Sie starrte ihn so ungerührt an, dass er blinzelnd einen Schritt zu- rücktrat. Er schaute noch einmal in ihren Ausweis und sah kopfschüt- telnd wieder zu ihr auf. »Kommen Sie bitte.«
    »Stimmt etwas nicht?«
    »Das wird Ihnen der zuständige Beamte erklären.«
    Der zuständige Beamte? Das klang bedenklich. Während Miriam dem Mann nachging, dachte sie daran, dass man die Leiche gefunden haben musste. Sie hatten Marie Tallmans Spur nach Paris verfolgt. Sonderlich schwer war es nicht.
    Während sie weiterging, bemerkte sie, dass jemand hinter sie trat. Sie konnte die Waffe riechen, die der Mann trug, genauso wie sie die Politur auf seiner Blechmarke und das Wachs auf seinen Schuhen rie- chen konnte. Sie wusste, dass es ein uniformierter Polizist war. Seine Atmung war jung und gleichmäßig und kräftig. Er befand sich dicht hin- ter ihr, war auf jedweden Fluchtversuch gefasst.
    Also ging man davon aus, dass sie wusste, weshalb man sie ab- führte. Der Beamte vor ihr hatte die Schultern angezogen. Er fürchtete, von hinten angesprungen zu werden.
    Diese Männer glaubten nicht, eine Unschuldige einkassiert zu haben, deren Identität verwechselt worden war. Sie glaubten, eine Kriminelle zu eskortieren, die sehr wohl wusste, dass sie in ernsthaften Schwie- rigkeiten steckte.
    Diese Überlegungen schossen Miriam blitzschnell durch den Kopf. Im nächsten Moment begann sie, nach einer Fluchtmöglichkeit Aus- schau zu halten. Sie war eine Herrin der Menschen, war klüger und stärker und schneller. Es wäre ein Leichtes für sie gewesen, die bei-

den Männer zu überwältigen. Die Waffe war ein triviales Problem. Be- vor der Polizist danach greifen könnte, hätte sie die beiden Kreaturen längst bewusstlos geschlagen.
    Das größere Problem war ihre Umgebung. Zahllose Leute kamen ih- nen in dem Gang entgegen. Im Bereich der Passkontrolle, den sie so- eben verlassen hatten, wimmelte es nur so von Passagieren. Die größtenteils verglasten Büros in dem Gang waren ebenfalls voller Menschen.
    Deswegen ging Miriam weiter, in der Hoffnung auf einen günstigen Augenblick, auf ein paar unbeobachtete Sekunden, um ihren Häschern vielleicht doch noch zu entkommen. Man würde sie einsperren; daran bestand für sie kein Zweifel.
    Es war im höchsten Maße töricht gewesen, die Leiche einfach liegen zu lassen. Sie bekamen es von frühester Kindheit an eingebläut: Lasst die Menschen niemals die Reste eurer Mahlzeiten finden. Menschen sind Rindvieh, aber intelligentes Rindvieh, und sie dürfen keinesfalls auf ihre wahre Lage aufmerksam werden. Dies könnte die Auslö- schung unserer gesamten Spezies zur Folge haben.
    Und genau das schien nun zu geschehen. Eine andere Erklärung war nicht mehr möglich. Die asiatischen Hüter waren bereits vernichtet worden, und sie selbst hatte sich – und vermutlich den gesamten Rest ihrer Rasse – wegen eines gedankenlosen, panischen Moments in höchste Gefahr gebracht. Wegen ihres Fehlers stand sie – ein Hüter! – nun kurz davor, von Menschen gefangen zu werden.
    Sie kamen an eine Tür. Der Beamte vor ihr sagte: »Gehen Sie bitte dort hinein.« Sie spürte den Atem des jungen Polizisten im Nacken. Ihr blieb keine andere Wahl; sie musste sofort handeln, trotz der vielen Menschen um sie herum.
    Sie sprang von der Tür in die Mitte des Ganges zurück. Die beiden Männer standen sich plötzlich direkt gegenüber und rissen angesichts der blitzschnellen Bewegung verblüfft die Augen auf. Für sie sah es so aus, als hätte Miriam sich für einige

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