Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Whitley Strieber

Whitley Strieber

Titel: Whitley Strieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Kuss des Vampirs
Vom Netzwerk:
Abschlussbericht vermerkt: Tod durch einen ungeklärten Unglücksfall.
    Seither war der kleine Paulie besessen vom geheimnisvollen Tod seines Vaters. Was hatte Daddy umgebracht? Ein Tier? Außerirdi- sche? Niemand wusste es. Daddy war groß und stark gewesen, wie hatte er also in einem solchen Zustand in den Wurzeln eines Baumes enden können?
    Einige Jahre später war Paul mitten in der Nacht aufgewacht und hatte am Fußende seines Betts eine ganz in Schwarz gekleidete Frau mit goldenem Haar und einem engelhaften Gesicht stehen sehen. Sie hatte ihn aus wunderschönen Augen angeschaut, aus Augen, die das Herz zerschmelzen ließen. Als er sich aber aufsetzte und sie an- sprach, war sie verblasst wie eine Traumgestalt.
    »Die Frau, mit der er hier war, ist eine Französin«, riss der Oberin- spektor Paul aus den Gedanken. »Wir wissen, dass sie Marie Tallman heißt und den Air-France-Flug nach Paris genommen hat. Sie wird dort verhaftet, sobald sie aus dem Flugzeug steigt.«
    » Es war eine Frau?«, entgegnete Paul. »Sind Sie sicher?« »Ja, eine Frau«, sagte der Thailänder gereizt und davon überrascht, wie eigenartig Paul das Wort ‘es’ betont hatte. Aber Paul konnte nicht anders. Er hasste diese Tiere, ganz gleich, ob Gott sie erschaffen hatte oder nicht, und nie im Leben würde er sie mit einem Personal- pronomen würdigen.
    »Es darf auf keinen Fall verhaftet werden.«

»Verzeihen Sie, aber das würde unseren Interessen zuwiderlaufen. Tut mir Leid.«
    Paul sah den Oberinspektor zum ersten Mal richtig an. »Bitten Sie die Franzosen, die Frauzu fotografieren und ihr zu folgen. Aber nicht, sie zu verhaften.«
    Der Thailänder lächelte. Paul konnte nur hoffen, dass sie kooperie- ren würden. Er durfte auf keinen Fall weiter drängen und riskieren, dass man sich bei der Botschaft nach ihm erkundigte. Die Thailänder waren kitzlige Freunde. Sie mochten es nicht, wenn auf ihrem Hoheits- gebiet ohne ihr Wissen CIA-Operationen liefen.
    In hohen Regierungskreisen genoss er jede Unterstützung. Diese Polizisten aber waren allesamt unbedeutende Lakaien und hatten nicht die leiseste Ahnung von seinem Geheimauftrag und der in seinen Hän- den liegenden Macht.
    Er starrte auf die Überreste des Toten herab, wollte die Leiche mit reiner Gedankenkraft zum Sprechen bringen. Doch sie sagte nichts. Die Gesichtshaut spannte sich so straff über den Schädel, dass dieser fast wie eine Halloween-Maske aus dem Kaufhaus aussah.
    »Drehen Sie ihn um«, sagte er. »Ich möchte mir den Rücken anse- hen.«
    Zwei der Polizisten kamen seiner Aufforderung nach. Paul wusste, dass Vampire Menschenhaut zu Kleidungsstücken verarbeiteten – zu Handschuhen zum Beispiel. Man hatte derartige Stücke in ihren Be- hausungen gefunden. Er hatte überlegt, ob der Rücken dieses Mannes womöglich ebenso fein säuberlich gehäutet worden war wie der seines Vaters.
    Einige dieser Handschuhe und Taschen hatte er in die Hände ge- nommen und sich nachdenklich gefragt, welche dieser Kreaturen Dinge besaß, die aus der Haut seines Vaters hergestellt worden wa- ren. Wann immer er und seine Mannschaft ein solches Stück fanden, segneten und verbrannten sie es andachtsvoll und verstreuten an- schließend die Asche im Wind.
    Melodramatisch? Könnte man sagen. Sentimental? Sicherlich. Aber über zwei Dinge waren sich die Mitglieder seiner Mannschaft einig: Alle aus Menschenhaut gefertigten Gegenstände, die sie fanden, mussten mit größtem Respekt behandelt werden, und kein einziger Vampir durfte diesen Feldzug überleben. Eine Politik verbrannter Erde. Absolut.
    Man stelle sich nur vor, sie müssten den Vampiren ihre Rechte vorle-

sen. Man stelle sich vor, dass Vampire das Recht auf einen Strafver- teidiger bekämen, sagen wir in Indien, wo die Gefängnisse besonders löchrig waren und es Jahre dauerte, bis ein Prozess begann. Was, wenn sie einforderten, dass Morden ihr natürliches Recht wäre, und bewiesen, dass Gott sie erschaffen hatte, um Menschen zu jagen? Dann müsste man weltweit die Gesetze ändern und ihnen zugestehen, pro Jahr eine gewisse Zahl von Menschen erlegen zu dürfen, so wie wir selbst uns das Recht einräumen, Wale zu fangen.
    Und was war mit dem Artenschutzprogramm, das es in verschiede- nen Ländern, besonders in den USA und in Europa, gab? Wenn der Vampir zur gefährdeten Spezies erklärt würde – was angesichts seiner geringen Zahl durchaus nachvollziehbar wäre –, wären Paul und seine Mannschaft von einem Tag zum anderen

Weitere Kostenlose Bücher