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Whitley Strieber

Whitley Strieber

Titel: Whitley Strieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Kuss des Vampirs
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sein und reagieren vielleicht etwas schwerfällig, aber sie mussten eine grausame Niederlage einstecken, und jetzt kommt ihre Antwort! Also passt verdammt noch mal auf, denn sie sind stark und klug, und jetzt wissen sie Bescheid!«
    In der nachfolgenden Stille fiel ihm auf, wie laut das Summen der elektrischen Uhr auf dem Nachttisch neben dem Bett war. Charlie ging zum Fenster. Becky starrte auf ihre Hände. Dann blickte sie auf. Er sah die Tränen in ihren Augen. Und ebenso sah er, dass es keine Trä- nen des Schmerzes oder der Verlegenheit waren, sondern Tränen der Wut. Gut so. Das gefiel ihm. Sollte sie doch heulen.
    Dad rief ihn von der hinteren Veranda. »Paulie, komm her, lass uns Eiskrem machen!« Dad roch nach der feuchten Erde, die Zeit seines Lebens seine Heimat gewesen war. Er roch nach dem Laub des Som- mers.
    Nachdem Dad verschwunden war, war Paulie auf allen vieren zum Fluss und wieder zurück gekrochen, hatte überall gesucht und in sei-

nen Gebeten dem lieben Gott angeboten, niemals wieder unartig zu sein, wenn er nur seinen Dad zurückbekäme.
    Seine Mutter hatte sich auf der Farm bis zum Umfallen abgerackert und sich immer um ihre Existenz gesorgt, denn wenn sie nicht die Ernte einholte, landete die Familie, wie sie sagte, auf der Straße. Es hatte in ganz North Carolina, und wahrscheinlich auch nirgendwo sonst, keine einzige Bank gegeben, die gewillt gewesen war, ihnen einen Farmer-Kredit zu gewähren.
    »Was sollen wir tun?«, fragte Becky.
    »Eure Arbeit!«
    »Ich meine: jetzt, Paul. Genau in dieser verdammten Sekunde, Paul! Denn ich wüsste nicht, was es in diesem Augenblick zu tun gäbe. Wir haben die ungenaue Beschreibung einer Frau, die den Kreaturen, die wir bislang getötet haben, offenbar nicht im Geringsten ähnlich sieht. Ich meine, mir würde nie einfallen, aus einer Frau eine Handtasche zu machen. Bisher habe ich kleine, schrumpelige, verdreckte Monster ge- sehen, nichts, was auch nur entfernt an eine groß gewachsene blonde Frau erinnert.«
    »Wir wissen erst seit wenigen Jahren von diesen Kreaturen. Sie da- gegen existieren seit Jahrtausenden und hatten eine Menge Zeit, sich alles Mögliche auszudenken ...«
    »Das ist nicht mein Punkt. Mein Punkt ist, dass du einen beschisse- nen Tobsuchtsanfall bekommst, weil Charlie und ich – die wir seit drei höllischen Jahren für einen schrecklichen, dreckigen, undankbaren Job unser Leben riskieren – uns ein bisschen Ablenkung gönnen wol- len, da es ansonsten nicht das Geringste zu tun gibt!« Sie ver- schränkte die Arme. »Erkläre dich!«
    »Ist ganz simpel. Ich bin euer Vorgesetzer, und ihr seid meine Ange- stellten.«
    »Also, was sollen wir jetzt tun, Boss?« Charlie versuchte, seine in Stücke gesprungene Drehmaschine wieder zusammenzusetzten. »Ach, macht doch, was ihr wollt. Geht ins Tour D'Argent und ver- prasst ein Monatsgehalt. Ins Moulin Rouge. In die Slow Bar. Malt die verdammte Stadt rot an, dafür ist Paris schließlich da.«
    »Ich möchte nur eine gute Bouillabaisse.«
    »Und ich ein dickes Steak mit Pommes.«
    Charlie und Becky gingen in den Regen hinaus. Paul lauschte etwa fünf Minuten lang dem auf das Dachfenster niederprasselnden Regen. Und überlegte, ob er die beiden vielleicht doch hätte begleiten sollen.

Vielleicht konnte er einen Getränkeladen finden, der noch geöffnet hatte. Er würde einen Liter Stoli kaufen und sich sinnlos betrinken. Es würde ihm gut tun, am nächsten Morgen mit einem bösen Kater zu er- wachen.
    Er fuhr in dem winzigen Aufzug hinunter, drückte sich den Hut auf den Kopf und machte sich auf den Weg zu einer Sauftour, die vermut- lich erst im Morgengrauen enden würde. Vielleicht würde er aus Lan- geweile sogar eine Kneipenschlägerei provozieren. Es gefiel ihm, seine Fäuste zu gebrauchen, hatte ihm immer gefallen. Es sollte kein Problem sein, mit irgendeinem Franzosen einen Streit vom Zaun zu brechen. Hoffenlich würde er einen gleichwertigen Gegner finden, da- mit das Ganze auch Spaß machte. Männer, die sich gerne schlugen, erkannten sich in einer Kneipe sofort. Es gab offensichtliche Signale – wenn dich irgendein schwergewichtiges Arschloch ohne Grund finster anstarrt, ist das eine deutliche Einladung. Erfahrene Kneipenschläger lebten in ihrer eigenen geheimen Welt, und er gehörte unbestritten dazu. Es gibt nichts Besseres, als bei einer zünftigen Kneipenschläge- rei ein paar Freunde fürs Leben zu gewinnen.
    Er schlenderte den Boulevard Montparnasse entlang. Hier gab es

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