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Whitley Strieber

Whitley Strieber

Titel: Whitley Strieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Kuss des Vampirs
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und hatten sich in ihren Höh- len verborgen gehalten.
    »Es sind zwei«, sagte Bocage lakonisch.
    Jetzt sah Paul hinter dem groß gewachsenen männlichen Vampir in einem zerschlissenen Anzug aus den fünfziger Jahren ein weibliches Exemplar. Es wich in den Schatten zurück, aber es hatte ebenfalls ein verdammt menschliches Aussehen ... wie die Reisende. Hatte sie blondes Haar gehabt? Er war sich nicht sicher. Die Kreatur hatte sich mit der Geschwindigkeit und Anmut eines Panthers bewegt. » Mon Dieu«, sagte Des Roches.
    »Haben Sie das weibliche Exemplar gesehen?«
    »Das Gesicht – es war ... so eigenartig.«
    Paul hatte das Gesicht nicht gesehen. Aber das spielte im Augen- blick keine Rolle. Es war nicht die Reisende, die Reisende war tot. Er hob seine Waffe und schoss, und die anderen taten es ihm nach. Der Lärm war ohrenbetäubend; ein heißer Windstoß bließ ihm ins Gesicht, als in dem engen Tunnel die verdrängte Luft komprimiert wurde. Der Lärm wurde vom Aufflammen hellgrünen Lichts begleitet, gefolgt von den hohl klingenden Echos der an den Tunnelwänden ent- langschrammenden Schrapnell-Geschosse.
    Stille. In der Ferne ein lauter Schrei. Charlie riss seine Nachtsicht- brille herunter und hob die Taschenlampe. Er schaltete sie ein. Der Lichtstrahl fuhr wie ein weißes Laserschwert durch die trübe Staub- wolke, die sich in dem Tunnel ausgebreitet hatte.
    » Non!«, brüllte Bocage.
    Ein Flackern durchschnitt die Luft, mehr nicht. Aus der Staubwolke kam ein mit der bizarren Kraft eines Vampirs geworfenes Messer her- angeschossen, so schnell, dass es nur kurz aufblitzte.
    Der Lichtstrahl der Taschenlampe wackelte hin und her, zeigte plötz- lich zur Decke, dann fiel die Taschenlampe zu Boden. Sie rollte auf die Vampire zu, und Sekunden später war außer einem schwachen gelbli- chen Lichtschein inmitten der Staubwolke nichts mehr auszumachen. Der Lichtschein wies in ihre Richtung, fort von den Vampiren. Damit waren Paul und die Übrigen deutlich zu erkennen, konnten selbst aber nichts sehen.

Charlie begann, sonderbare Laute von sich zu geben, die auf comi- cartige Weise an das Pfeifen einer Spielzeuglokomotive erinnerten. Dann wurde daraus ein gurgelndes Würgen und das Rascheln eines zuckenden Körpers. Er stürzte nach hinten, und sein Kopf schlug mit dem Geräusch eines zerplatzenden Eis auf dem Boden auf.
    Des Roches kniete sich neben ihn. Becky, die einen Schrei unter- drückte, schob ihn beiseite. Sie tastete mit spitzen Fingern nach dem Messergriff, als wäre er siedend heiß. Sie schluchzte leise. Ihre Hand verharrte über dem Griff. In ihrem Schluchzen lag etwas Fragendes, doch es war eine Frage, die niemand beantworten konnte. Es gab dar- auf keine Antwort. Wie zog man ein Messer heraus, das bis zum Griff in das Gesicht eines Menschen eingedrungen war?
    Ein weitere Explosion erklang, dieses Mal aus Raynards Waffe. Dann feuerte Bocage noch zweimal. Paul hätte wahrscheinlich tief be- troffen sein sollen, verspürte aber die gleiche Selbstkontrolle, die ihn in Augenblicken wie diesen immer überkam. Charlies Tod brach ihm das Herz. Aber trotz seiner Trauer hörte er nicht eine Sekunde lang auf zu kämpfen. Er beobachtete die Staubwolke, hielt nach einer schattenhaf- ten Bewegung Ausschau.
    Ein weiteres Messer kam herangesaust, dieses Mal in Beckys Rich- tung. Er sah, dass es direkt auf ihren Hals zuflog. Er spürte ihr Haar unter seiner Hand, dann stieß er sie mit einem blitzschnellen Ruck zu Boden. Das Messer flog in die Dunkelheit des Tunnels weiter und schlug klappernd gegen eine Wand.
    Jenseits des gelblichen Lichtscheins vernahm er einen leisen, unver- kennbaren Laut: das überraschte Schnauben eines Vampirs.
    Heftige Empfindungen überkamen Miriam – tiefes Entsetzen, weil vor ihren Augen ein Hüter in Stücke gerissen worden war, Angst, dass der nächste Schuss auch sie umbringen würde, und dann, vor allem, Ver- blüffung über das, was sie den Mann hatte tun sehen, und Verblüffung darüber, was sie nun fühlte.
    Dieser Mann – nur ein Mensch – hatte so schnell reagiert wie ein Hü- ter. Sie kannte das menschliche Genom genau. Nichts in ihrem geneti- schen Bauplan befähigte die Menschen zu so schnellen Reaktionen. Ihre körperlichen Grenzen waren ihnen angezüchtet worden. Aber dies galt nicht für dieses Exemplar, wahrhaftig nicht.
    Außerdem war da ein Gefühl, das er in ihr ausgelöst hatte, als er seine lächerliche Brille abnahm und sie sein ausdrucksvolles, wie

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