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Whitley Strieber

Whitley Strieber

Titel: Whitley Strieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Kuss des Vampirs
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dem Geruch seiner Haut und dem Staub der Äonen. Miriam verzehrte sich nach dem Duft eines männlichen Artgenossen, der soeben gespeist hatte, der erhitzt und schläfrig war, dessen Muskeln geschmolzenem Eisen glichen und des- sen Duftnote vom cremigen Aroma frischen Menschenbluts durch- tränkt wurde.
    In den starken Ranzgeruch des Touristenpaares mischte sich das et- was muffige Odeur ihrer Knochen. Sie schnüffelte weiter. Es waren noch mehr Menschen in der Nähe, und alle stanken nach Essen, nach ihren Parfüms und den Gasen, die sie heimlich absonderten. Sie roch das feuchte Keksaroma kleiner Jungen, den leichten Käseduft junger Mädchen und den Parfümhauch einer älteren Frau. Es war eine ge- mischte Schulklasse, Kinder zwischen sechs und zehn Jahren, die sich einige Treppenabsätze unter ihr um ihre mindestens dreißigjäh- rige, kerngesunde Lehrerin scharten. Miriam schnüffelte nach weiteren Gerüchen und versuchte diejenigen herauszufiltern, die sie bereits identifiziert hatte. Irgendein exotisches Speisearoma stieg ihr in die Nase, Gewürze des Ostens vermengt mit den Gerüchen von Haut und gerauchten Zigaretten – ein Ehepaar aus Asien.
    Sie trat in den Gang hinaus. Mit einem raschen Blick auf die Karte hatte sie sich die exakte Anzahl von Schritten eingeprägt, die sie in je- dem Teil des Beinhauses zurücklegen musste. Allen Hütern wurde in ihrer Kindheit beigebracht, in exakt bemessenen Schrittlängen zu lau- fen, daher wusste sie genau, welche Entfernung sie mit jedem Schitt zurücklegte, ganz gleich, wie schnell sie ging.
    Der Eingang in das eigentliche Beinhaus wurde von zwei breiten wei- ßen Säulen flankiert. Sie ging hindurch und betrat das älteste der un- terirdischen Gewölbe. Nach menschlichen Maßstäben war es tatsäch- lich uralt, aber Miriam konnte sich noch genau an das Paris von früher erinnern, als es dort noch keine Katakomben voller Gebeine und

dumm starrender Touristen gegeben hatte. In jenen Tagen hatten die Hüter das gesamte Labyrinth für sich allein gehabt. Man konnte über eine Geheimtreppe zur Straße hochsteigen, ein Opfer herunterbringen, sich ohne Eile daran laben und anschließend in aller Seelenruhe ein- schlafen. Ja, die Pariser Hüter hatten ein angenehmes Leben gehabt. Sie ging weiter, auf einen bestimmten Punkt zu schreitend, an dem man vom Beinhaus in das noch tiefer gelegene Tunnelsystem hinab- gelangte. Es gab noch andere Eingänge, den aber, den sie suchte, be- nutzte man, wenn man wusste, was man tat. Jeder, der durch einen anderen Schacht hinunterkam, konnte nur ein Mensch sein.
    Der Eingang wurde, wie sie wusste, von einem großen Kreuz mar- kiert. Es war nicht zu übersehen. Aber seine wahre Bedeutung zu er- kennen – nun, dies war unmöglich ... wenn man kein Hüter war. Als sie sich sicher sein konnte, dass sie allein war, rannte sie los, den Gang entlang. Dort lag Madame Pompadour – diese hinterhältige alte Zicke, die nach saurer Milch gestunken und irgendwie das Herz eines der französischen Könige erobert hatte. Genau, sie war mit Louis XV. ver- bandelt gewesen, diesem umherstolzierenden Gockel, der ständig ge- furzt und wegen einer chronischen Hautpilzinfektion selbst entsetzlich gestunken hatte. Madame Pompadour, wahrhaftig. Ihr wirklicher Name war Jeanne Poisson – Jenny Fisch. Nun, die marmorne Grabkammer hatte man ihr genommen. Dies hier war ohnehin viel angemessener für sie. Hatte sie mit Philippe Vendôme nicht immer gerammelt wie eine liebestolle Ratte? Miriam erinnerte sich noch gut daran, einige dieser lustigen Darbietungen mit angesehen zu haben.
    War sie nicht im frühen achtzehnten Jahrhundert mit – mit wem noch gleich – mit Lollie hier unten gewesen? Ja, die arme Lollia hatte da- mals aus dem letzten Loch gepfiffen und verzweifelt immer neue gepu- derte Perücken ausprobiert und sich eimerweise alle möglichen Cre- mes ins Gesicht geschmiert. Nichts von alledem hatte geholfen. Nun noch eine Biegung – und dort war das große Kreuz. Aber gab es dahinter noch den Eingang? Hatten die Franzosen ihn entdeckt und ebenfalls zugemauert? Sie betrachtete das Kreuz und fokussierte ihre Sehschärfe, sodass die eingeritzten, für das menschliche Auge un- sichtbaren Anweisungen erkennbar wurden. Ihnen zufolge musste sie ein bestimmtes Prime-Wort rufen, damit sich die Geheimtür in der Mauer öffnete. Außerdem musste sie die Hüter informieren, wer sie war, denn laut Anweisung sollte sie ihren Namen an das Wort anhän- gen. Sie holte

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