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Whitley Strieber

Whitley Strieber

Titel: Whitley Strieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Kuss des Vampirs
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Äffchen begann und mit dem modernen Menschen endete. Insgesamt waren es etwa fünfzig extrem detaillierte Darstellungen, und die Letzte zeigte eine Frau, die so schön war, als sei sie der Abkömm-

ling eines Engels.
    Das Ganze schien eine bildliche Darstellung der Evolutionsge- schichte des Menschen zu sein ... oder der Geschichte ihrer Züchtung. Offen gestanden sah es eher wie die Geschichte ihrer Züchtung aus, wenn man betrachtete, wie ein Erscheinungsbild dem anderen folgte, mit dem jeweiligen genetischen Bauplan daneben.
    Seit Jahrzehnten schon suchte der Mensch im afrikanischen Wüsten- sand und in französischen Höhlen nach seinem Ursprung. Aber wirk- lich gefunden hatte er ihn bislang nicht, oder?
    Er trat vor das letzte Mosaik. In den schimmernden grünen Augen der Frau waren selbst die winzigsten Nuancen erkennbar. Ihr Gesicht wirkte so lebendig, dass sie ihn ebenso gut hätte ansprechen können. Sie war jung, vielleicht zwanzig, hatte hellblondes Haar, und auf ihrem Gesicht spiegelte sich ein Ausdruck göttlicher Verzückung ... als er- blickte sie zum ersten Mal die Welt. Vielleicht, überlegte er, sollte er sie Eva nennen.
    Die Vampire mussten sehr viel älter sein, als er bisher angenommen hatte. Und wenn dieser Raum das war, wonach er aussah, waren sie für den Menschen von immenser Bedeutung. Denn das hieße, dass der Mensch sich nicht durch Zufälle oder durch das Wirken Gottes ent- wickelt hätte, sondern durch das gezielte Eingreifen einer anderen Spezies.
    Er war kein Mensch, der oft weinte. Er hatte die Tränen eines ganzen Lebens vergossen, als ihm sein Vater genommen worden war. Nun aber kullerten sie ihm über das harte, wie gemeißelte Gesicht. Warum hatten sie es getan? Warum hatten sie die Menschen nicht gelassen, wie sie gewesen sein mussten – zweibeinige Rindviecher? Eines Tages würde sich der Welt das Geheimnis der Vampire offenba- ren. Und erst dann, so glaubte er, würde die Menschheit wirklich ver- stehen, woher sie kam.
    In ihm keimte die beklemmende Gewissheit, dass der Vampir der Schöpfer des Menschen war. Er hatte gewusst, dass sie seit langem auf der Erde lebten, aber dies hier war etwas völlig Unerwartetes. Er ging weiter, tiefer hinein in dieses Höhlengewölbe der Geheim- nisse. Die Kammern, die er nun entdeckte, waren längst nicht so prä- zise gebaut, doch auch hier offenbarte die unentdeckte Vergangenheit eine Geschichte. Dies war das Werk von Menschen, überall fanden sich Spuren von groben Meißeln. In unglaublich ferner Zeit mussten sich Menschen bis hierher durchgegraben haben – in das Herz aller

Geheimnisse. Waren sie hier unten bei dem Versuch gestorben, sich von ihrer Knechtschaft zu befreien?
    In den Geschichtsbüchern fanden sich keine Aufzeichnungen über andere Vampir-Jäger. Er und sein Team hatten zahllose alte Ge- schichtsbände durchgearbeitet, um herauszufinden, ob Organisationen wie der Templerorden oder die ägyptischen Priesterschaften etwas ge- wusst hatten. Sie hatten nichts gewusst.
    Er watete durch den Schutt dieses von Menschen erbauten Tunnels – und sah plötzlich zahllose Vampire. Sie huschten davon, als sie ihn erblickten, verschwanden um eine Ecke.
    Sie flohen vor ihm. Das war ihm noch nie passiert. Aber die Pariser Vampire hatten viele Eigenheiten, die ihm neu waren. Er folgte ihnen in den Tunnel, in den sie gerannt waren, und schoss. Er lief einige Schritte, schoss erneut und wartete. Scharrende Geräusche. Er schoss noch einmal. Stöhnende, gurgelnde Laute. Dann kam ein Vam- pir aus der Staubwolke gerannt. Sein blutiger Brustkorb sah aus wie eine Kommode mit aufgezogenen Schubladen. Er stürmte auf ihn zu, geriet aber ins Straucheln. Paul schoss, einmal, dann ein zweites Mal. Noch eine Kugel war im Magazin. Er musste nachladen. Er wich zu- rück und stolperte, fiel auf den Vampir, den er gerade erschossen hatte. Er hörte heraneilende Schritte. Als er wieder auf die Beine kam, griff eine Hand nach seiner Taschenlampe ... und zerdrückte sie. Paul trat mit voller Wucht in die Dunkelheit, traf den weichen, zerfetz- ten Körper der Kreatur. Er hörte ein gurgelndes Fauchen. Das ver- dammte Monster war doch nicht tot, trotz seiner zahllosen Wunden. Er wich einige Schritte zurück, damit es sich nicht auf ihn stürzen konnte, wenn es wieder bei Kräften war. Dann ging er auf die Knie und tastete mit der Hand den Boden ab, um das volle Magazin zu finden, das ihm heruntergefallen war. Plötzlich hörte er eine Stimme vor sich:
    »Komm

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